Neben der schwarzen Gibson "Old Black" gehört der breite Gitarrengurt mit den auffälligen weißen Peace-Zeichen und Friedenstauben zu den wohl bekanntesten Markenzeichen Neil Youngs. Den Gurt, der 2017 sein 40-jähriges Bühnenjubiläum feiert, verbinden viele Fans ausschließlich mit "Neil Young & Crazy Horse". Dabei sind Herkunft und die vielen Veränderungen dieses Gitarrengurts so komplex und verworren wie die lange Karriere des Musikers selbst - "There is more to the picture than meets the eye ..."
Der Gurt war zwar immer an Neil Youngs Gibson Les Paul "Old Black" befestigt - aber keineswegs zu jeder Zeit und auf jeder Tour. Er stammt auch nicht direkt aus der "Rust Never Sleeps"-Ära mit "Crazy Horse", sondern kam zuvor bereits bei zwei anderen Bands zum Einsatz. Und im Verlauf seiner nun 40-jährigen Verwendung kam er in die Änderungsschneiderei und durchlebte wundersame Metamorphosen. Mit seinem zerfetzten und fadenscheinigen Äußeren sieht der Gitarrengurt heute aus, als hätten ihn Archäologen in den staubigen Überresten einer untergegangenen Rockmusik-Arena ausgegraben. Wer das auseinander fallende Stück Textil auf der letzten "Rebel Content Tour" live gesehen hat, wundert sich, dass es die schwere Gibson-Gitarre überhaupt noch halten kann.
Höchste Zeit also, die Geschichte des legendären Gurts einmal ausführlich zu beleuchten. "Rusted Moon" hat dazu alle Daten & Fakten zu dem wohl berühmtesten Gitarrengurt der Rockgeschichte recherchiert und stellt seine Herkunft, den Einsatz in Neil Young verschiedenen Karriereabschnitten sowie seine zahlreichen Veränderungen detailliert da. [Weiter: Die Geschichte von Neil Youngs Gitarrengurt ...]
Das Original
Der "Peace & Dove"-Gitarrengurt ist ursprünglich ein ganz normales Serienmodell der US-amerikanischen Firma "ACE Musical Strap, Co." mit Sitz in Chicago. ACE war in den goldenen Zeiten der Rockmusik neben "Bobby Lee" der bekannteste Hersteller von Gurten für Gitarren und andere Musikinstrumente. Die Gurte von ACE wurden von vielen berühmten Musikern verwendet. Im Programm der schon lange vom Markt verschwundenen Firma waren Dutzende Modelle mit einer unüberschaubaren Vielfalt an Mustern, Ornamenten und Materialien. Zum Klassiker im ACE-Sortiment wurde der rot gemusterte Gurt, den Jimi Hendrix 1969 bei seinem Auftritt beim Woodstock-Festival an seiner Stratocaster hatte.
Das Modell mit den auffälligen Peace-Zeichen und den Friedenstauben im Wechsel brachte ACE Ende der 1960er Jahre auf dem Höhepunkt der Hippie-Ära heraus. Er war in den Farben Schwarz, Blau, Rot und Braun erhältlich. Bei allen Varianten waren die Symbole in Weiß auf den gewebten Grundstoff aufgedruckt. Die Gurtenden bestanden in jeder Farbvariante aus weißem Leder. Die Rückseite des Gurts bestand aus weißem Kunstleder auf einer dünnen geschäumten Schicht. Die sollte den Tragekomfort erhöhen, fing aber nach einer gewissen Zeit an zu zerbröseln.
Ein Vorgänger aus Jeans
In der Zeit unmittelbar bevor der "Peace & Dove"-Gurt auftauchte, hängte Neil Young seine "Old Black" gerne an einen Gitarrengurt aus blauem Jeans-Stoff. Dieser Gurt war mit 3 Zoll um einiges breiter als die sonst üblichen 2-Zoll-Gurte. Er hatte als Besonderheit vorne eine Tasche aufgenäht - ebenfalls aus Jeans-Stoff. Die Gurtenden waren aber nicht aus Leder oder mit Leder verstärkt. Die Gurtpins der Gitarre steckten direkt im Stoff.
Diesen Jeans-Gurt benutzte der Musiker für "Old Black" im Jahr 1976 während der Tourneen mit "Crazy Horse" in Europa, Japan und den USA. Auch sein Neil Youngs allererstes Deutschlandkonzert mit "Crazy Horse" in Eppelheim bestritt er mit diesem Gurt. Jeans-Gurte kamen bei dem Kanadier aber bereits in den Jahren zuvor, hauptsächlich bei seinen Akustikgitarren zum Einsatz. Ob der 1976er Jeans-Gitarrengurt für "Old Black" selbst geschneidert war oder von einem der damals bekannten Gurthersteller stammte, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen.
Neil Youngs Gurtwende von 1977
Neil Young & "The Ducks" 1977 |
Nachdem der kurze "Sommer mit den Ducks" Anfang September 1977 schon wieder zu Ende war, wandte sich Neil Young seinen zahlreichen anderen Projekten zu. Bis November beendete er sein Album "Comes A Time", das dann im darauf folgenden Juli erschien. Im Mai 1978 spielte er zehn akustische Solo-Shows am Stück im "The Boarding House" in San Francisco - übrigens mit dem Jeans-Gürtel an seiner damals brandneuen Taylor 855 12-String Gitarre.
Danach startete Young die Produktion seiner bizarren Filmkomödie "Human Highway", die erst vier Jahre später fertig wurde und in die er eine Menge privates Geld investierte. Direkt im Anschluss an die Shows im "The Boarding House" Ende Mai 1978 ging er mit der New-Wave-Band "DEVO" ins Studio, wo er eine schräge Version seines Klassiker "Hey Hey, My My" filmte. Die Szene ist eines der Highlights in "Human Highway".
Neil Young & "DEVO" 1978 |
Die Filmszene belegt aber auch: Der "Peace & Dove"-Gürtel aus der "Ducks"-Ära" hing immer noch die Gibson "Old Black". Auch der "Santa Cruz"-Aufkleber pappte noch immer auf der Gitarre. "DEVO" war damit schon die zweite Band, in der Neil Young den berühmten Gürtel zum Einsatz brachte.
Jeans meets Peace bei Rust Never Sleeps
Rust Never Sleeps 1978 |
Allerdings war es zu dem Zeitpunkt schon nicht mehr der Standardgurt von ACE, wie er mit den "Ducks" und "Devo" zum Einsatz kam. Für die "Rust Never Sleeps"-Tour fügte er den Jeans-Gurt von 1976 und den "Peace & Dove"-Gurt zu einem sonderbaren Homunkulus zusammen. Dazu ließ sich der Musiker den Stoff mit den Peace-Zeichen und den Friedenstauben auf die Unterlage aus Jeans nähen - und das nicht gerade mit eleganter Nadelführung. Das Ganze sieht eher nach Heimarbeit, als nach professionellem Schneiderhandwerk aus. Außerdem drehte er den Jeans-Gurt um. Statt mit der aufgenähten Tasche nach vorn, wie er ihn 1976 verwendet hatte, war nun das Gurtende mit dem Verstellmechanismus vorne. Der aufgenähte "Peace & Dove"-Gurt darüber hatte ebenfalls seine Verstellschnalle vorne. Diese verdrehte Konstruktion erlaubt es, die Gurtlänge trotz der Doppellage weiterhin zu variieren.
Durch den Erfolg der "Rust Never Sleeps"-Tour, das dabei aufgenommene Live-Album "Live Rust" - mit dem Gurt auf dem Cover- sowie den auf der Tour entstandenen Konzertfilm ist der "Peace & Dove"-Gitarrengurt schließlich zu einem zentralen Bestandteil der Neil Young-Ikonografie geworden.
Die Zwischenzeit
International Harvesters, 1985 |
Den genau gegenteiligen Effekt bewirkte der Gurt dagegen 1984 und 1985 während der Tour mit den "International Harvesters". Damals stritt sich Neil Young mit seiner Plattenfirma Geffen Records herum und tingelte aus Trotz mit einer Truppe von Country-Musikern durch die Lande. Auch bei den Konzerten auf Country-Fairs und vor konservativem Landpublikum muss der markante Gitarrengurt mit seinen Hippie-Symbolen wie aus einer anderen Welt erschienen sein.
Inka-Gitarrengurt 1986 |
1991 während der "Smell The Horse"-Tour wechselte Neil Young dann wieder zurück zum "Peace & Dove"-Gurt zurück. Der erhielt in dieser Zeit neue Gurtenden aus schwarzem Leder, mit denen der Jeans-Stoff an den Stellen verstärkt wurde, wo die Gurtpins der Gitarre einrasten. Die weißen Lederenden des ursprünglichen ACE-Gurtes, die bis dahin nur lose über dem Jeans-Stoff flatterten, wurden dabei mit dem schwarzen Leder der neuen Gurtenden vernäht.
Für Bob Dylan stellt Neil Youngs den Gurt auf den Kopf
Neil Young beim Bobfest 1992 |
Das Besondere an dem Auftritt: Die Peace-Zeichen und Friedenstauben auf dem Gurt standen auf einmal auf dem Kopf. Neil Young hatte seinen berühmten Gurt einfach andersherum an seiner Gitarre befestigt. Über die Gründe kann nur spekuliert werden: Entweder wollte Neil Young damit eine Art Verbeugung vor Bob Dylan, dem musikalischen Anführer der Friedensbewegung der 1960er Jahre, andeuten. Es könnte aber auch als Symbol für die Orientierungslosigkeit gewesen sein, in der sich die Friedensbewegung drei Jahre nach dem Mauerfall und dem vermeintlichen Ende des Kalten Krieges befand. Vielleicht gab es aber auch nur ganz profane Gründe für den Kopfstand des Gurtes - etwa weil ein Loch für den Gurtpin ausgeleiert war oder die Schnalle für den Verstellmechanismus unangenehm auf Youngs Schulter drückte. Vielleicht folgte Neil Young aber auch wieder einmal einfach nur seiner Muse.
Was letztlich auch immer für diese Änderung gesorgt hat, Neil Young trägt seinen "Peace & Dove"-Gurt bis heute in dieser Form. Er hat ihn nie wieder in die ursprüngliche Lage gedreht. Seit 1992 spielt Neil Young mit auf dem Kopf stehenden Friedenssymbolen.
Die Geschichte von Neil Young Peace & Dove-Gitarrengurt |
Neil Young-Gurt als Nachbau kaufen
Neil Youngs Gurt als Replika |
Eine preiswertere Variante von Neil Youngs-Originalgurt hat der Hersteller D'Andrea Ace im Programm. Auch dort stellt man Nachbauten der alten ACE-Gurte her, allerdings ohne Zugriff auf die alten Originalstoffe zu haben. Neil Youngs "Peace & Dove"-Gurt gibt es auch in Deutschland zum Schnäppchenpreis von 19,90 Euro. Der preiswerte D'Andrea-Nachbau eignet sich auch gut, um mit einem eigenen Neil Young-Gurt zu experimentieren: Einfach auseinander schneiden und auf einen passenden Jeans-Stoff aufnähen. Ob mit Peace-Zeichen auf dem Kopf oder nicht, muss jeder selber entscheiden ...
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