Januar 21, 2016

Vor 50 Jahren: Neil Young mit den "Mynah Birds" bei Motown

Neil Young - Mynah Birds
In diesen Tagen vor 50 Jahren, im Januar 1966, begann ein Kapitel in Neil Youngs langer musikalischer Karriere, das nach nur sechs Wochen schon vorbei war. Eine kurze Randnotiz, spärlich belegt und mit keinen Fotos dokumentiert - aber schon mit allen Zutaten, die dann später das Wirken des kanadischen Musikers prägten. Neil Youngs kurzes Intermezzo als Rhythmus-Gitarrist bei den "Mynah Birds" ist trotz des Scheiterns der Band ein wichtiger Meilenstein in dessen Karriere.

Alles begann im Sommer 1965, als es Neil Young durch den Getriebeschaden seines Leichenwagens Mort in Blind River nach Toronto verschlug. Dort versuchte er es zunächst mit den Resten seiner Band "The Squires", später als Solomusiker. Die Musikszene in Toronto hatte aber auf den jungen Neil Young aus der kanadischen Provinz nicht gerade gewartet. Pleite und desillusioniert ließ er sich im Januar 1966 vom Bassisten Bruce Palmer in eine Band locken, die gerade einen neuen Gitarristen suchte.

Die Band hatte da schon eine schillernde Vergangenheit, eine Single-Veröffentlichung bei Columbia Records und wechselnde Besetzungen hinter sich. Ihr Manager Morley Schelman hatte ihnen im Oktober 1965 durch persönliche Beziehungen Kontakt zum legendären schwarzen Musiklabel Motown in Detroit verschafft. Ein Vorspielen - zunächst noch in alter Besetzung ohne Neil Young - war erfolgreich und führte zu einer ersten Aufnahme und einem Vertrag. Motown-Chef Berry Gordy wollte mit der überwiegend weißen Band und ihrem schwarzen Sänger ins Rockgenre einsteigen. [Weiter: Alles über Neil Young & Motown ...]

Neil Youngs Maschinengewehr-Stil


Neil Young, der auf Vermittlung Palmers ab Januar den Gitarristen Tom Morgan ersetzte, zog erstmal zu Sänger James Ambrose Johnson in dessen Apartment in der Isabella Street. Den späteren Abriss dieser Herberge sollte Young 1974 im Song Ambulance Blues beklagen. In der Isabella Street schrieben Neil Young und Ricky James Mathews, wie sich der fahnenflüchtige Amerikaner James Ambrose Johnson in Kanada nannte, ein paar Songs für die Band.

In seinen Memoiren "Glow" - die der Sänger unter seinem späteren Künstlernamen Rick James verfasste - schrieb er, dass ihn vor allem Neil Youngs "Maschinengewehr-Stil" an der Gitarre zu Textzeilen und Melodien inspirierte. Auch Neil Young erinnert sich in seinen Memoiren an diese Zeit und wie er "It's My Time" mit Rick James schrieb. Laut Young spielten die "Mynah Birds" neben den selber geschriebenen Songs anfangs meist Coverversionen der Rolling Stones. Rick James beschreibt in "Glow" auch, wie Neil Young ihm dabei half, die "Mynah Birds" so auszurichten, wie er sich es vorstellte: James hatte mit Manager Morley Schelman Ende 1965 die "Loving Spoonfull" gesehen und wollte anschließend eine Mischung aus Blues, Folk und Rock kreieren.

Plattenaufnahmen im Einfamilienhaus


Motown Hit Factory
Mit diesem musikalischen Konzept und den von James und Young geschriebenen Songs im Gepäck reisten die "Mynah Birds" im Januar von Toronto nach Detroit, um in der legendären Motown Hit Factory ein Album aufzunehmen. Die Aufnahmen, die am 19. Januar begannen und nach Aussage Youngs und James fünf oder sechs Tage dauerten, sollten vor allem Gitarrist Neil Young und Sänger Rick James nachhaltig beeindrucken und prägen.

Neil Young beschreibt in "Special Deluxe", wie die Band im gerade neu eröffneten Hotel "The Pontchartrain" abstieg. Das imposante Glashochhaus war ein Markenzeichen der boomenden Musik- und Auto-Metropole Detroit. Im Aufzug des Hotels traf Neil Young auf die "Newbeats", die gerade mit "Bread and Butter" einen Hit hatten. Rick James wiederum erzählt, dass man sich danach zunächst mit Berry Gordy in dessen Büro traf und ein paar der eigenen Songs vorspielte, wobei das gemeinsam verfasste "It's My Time" besonderen Eindruck hinterließ.

Die Aufnahmen in der Hit Factory, einer skurrilen Ansammlung von zu Studios und Büros umfunktionierten Einfamilienhäusern am Grand Boulevard, waren dann eine aufregende Mischung aus musikalischem Abenteuerspielplatz und strenger Produzentenwillkür. Berry Gordy hatte bei Motown ein Erfolgsrezept für die Serienproduktion von Hits entwickelt: Er ordnete seinen Künstlern ein festes Team aus Produzenten und Songschreibern zu. Das wohl bekannteste dieser Teams war Holland-Dozier-Holland. Die drei waren in den 1960er Jahren für einen Großteil der Motown-Hits verantwortlich, darunter die Titel der "Surpremes" und der "Four Tops". Später verklagten sie die Firma wegen nicht ausreichender Gewinnbeteiligung.

R. Dean TaylorDie "Mynah Birds" mit Neil Young wurden dem Produzenten-Songwriter-Team Mike Valvano, Mickey Stevenson und R. Dean Taylor zugeteilt. Taylor war einer der wenigen weißen Künstler bei Motown. Er schrieb für Diana Ross & the Supremes den Hit "Love Child" und hatte später mit "Indiana Wants Me" als Sänger einen eigenen Chart-Erfolg. Taylor stammte wie die "Mynah Birds" aus Toronto und sollte bei den jungen, unerfahrenen Musikern wohl auch für etwas Heimatgefühl sorgen.

Die Aufnahmen der "Mynah Birds" für Motown unterschieden sich von denen, die Neil Young zuvor mit den "Squires" gemacht hatte. Statt die Songs live und zusammen als Band einzuspielen, wurden in Detroit die Instrumentalparts und Gesang getrennt aufgenommen. Neil Young, der wegen seines kurzen Ausflugs in die Folkmusik in Toronto seine Gretsch E-Gitarre gegen eine akustische Gibson 12-String eingetauscht hatte, spielte das ungewöhnliche Folk-Instrument auch bei Motown in Detroit - verstärkt mit einem DeArmond-Pickup.

Wenn Young und seine Bandkollegen nicht so spielten, wie es sich die erfahrenen Produzenten vorstellten, griff man einfach auf andere Motown-Künstler zurück, die ständig in der Hit Factory verfügbar waren. Neil Young schreibt: "Smokey Robinson half, einige der 'Four Tops' sangen Backvocals." Er erinnerte sich auch, dass die Band von Motown Tanzunterricht bekam und mit Bühnenoutfits ausgestattet wurde.

Rick James dagegen schreibt in "Glow", dass er Smokey Robinson nur gesehen habe, bei den Aufnahmen sei nur Mickey Stevenson im Studio gewesen. Abseits der Aufnahmesession suchte Rick James vor allem den Kontakt zu den berühmten Motown-Größen: "Ich traf David Ruffing von den Temptations, die Isley Brothers, traf Bobby Taylor und alle "Temptations".

Kein Album - Motown kündigt Vertrag


Rick James - Glow
Nach den Aufnahmen, so Rick James, sollte "It's My Time" als erste Single erscheinen. Die Band fuhr über Buffalo, wo James Mutter lebte, zurück nach Toronto, um ein paar Live-Gigs zu spielen. Dort geriet Manager Morley Schelman mächtig unter Druck. Vor allem Rick James wollte seinen Anteil an den 25.000 Dollar Vorschuss haben, den Motown den "Mynah Birds" im Vorgriff auf die Plattenverkäufe gezahlt hatte. Schelman, heroinabhängig und ausgabefreudig, wimmelte die Versuche zunächst ab und drehte dann den Spieß einfach um. Sollte Rick James weiter drängeln, erklärte er dem Sänger, würde er den fahnenflüchtigen Musiker an die US-Behörden verraten.

Wenig später löste Motown den Vertrag mit den "Mynah Birds" und legte die Plattenpläne auf Eis. Eine Zusammenarbeit mit einem vom US-Militär gesuchten Musiker sei nicht möglich, so das Label. Rick James geht davon aus, dass ihn Morley Schelman an Motown verraten hatte. Zu klären war die Sache nicht mehr: Der Manager hatte sich mit einer Überdosis Heroin ins Jenseits befördert. Rick James wanderte ins Gefängnis, Neil Young und Bruce Palmer verkauften das Equipment der Band und setzten im März 1966 sich mit einem vom Erlös gekauften Pontiac Leichenwagen nach Kalifornien ab. Dort starteten sie kurz darauf mit "Buffalo Springfield" durch.

Auch das Motown-Label folgte ihnen später dorthin. 1972 verlegte Berry Gordy den Firmensitz von Detroit nach Los Angeles, wo er versuchte, ins Filmgeschäft einzusteigen und vor allem seinen neuen Star Diana Ross auf die Leinwand zu bringen. Musikalisch lief es im Vergleich zu den goldenen Jahren in Detroit nur noch mittelprächtig. Zu den erfolgreichen Künstlern zählten unter anderem Lionel Richie, die "Commodores" und überraschenderweise auch Rick James, der nach dem Abenteuer mit den "Mynah Birds" und abgebüßter Gefängnisstrafe wieder bei Motown unter Vertrag stand. Auch Neil Young und Rick James liefen sich an der Westküste noch mehrmals über den Weg. 1988 verkaufte Berry Gordy Motown und die Sublabels dann an MCA/Universal.

Von den fünf "Mynah Birds", die es vor 50 Jahren beinahe zu Motown-Stars gebracht hatten, leben heute nur noch Neil Young und Drummer Rickman Mason. John Taylor starb im September 2002, Rick James verstarb im August 2004. Im gleichen Jahr verschied auch Bassist Bruce Palmer.



Video: The Mynah Birds - It's My Time - 1966




Videos: Neil Young Gitarren und Verstärker bei den "Mynah Birds":







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