Am 13. November erscheint Neil Youngs Archivalbum "
Bluenote Café", auf dem die Club-Tour mit seiner Band "The Bluenotes" in den Jahren 1987 und 1988 dokumentiert ist. Neil Young hatte damals wieder einen seiner berühmt-berüchtigten, abrupten Genrewechsel vollzogen - diesmal hin zu Rhythm & Blues mit Soul- und Jazz-Elementen. Sein damaliger Bühnensound war dabei stark von einer fünfköpfigen Bläsergruppe geprägt, in der unter anderem Ben Keith und Larry Cragg am Saxophon mitwirkten und die Songs - eine Mischung aus uralten Titeln der "Squires", eigens für die Tour geschriebenen Stücken sowie ein paar "verbluesten" Klassikern - mit Bläsereinsätzen und Soli aufpeppten.
Neil Young selber griff damals auf seine bewährte Gibson Les Paul "Old Black" und Mundharmonika zurück - nahm allerdings beim Gitarrenverstärker eine ziemlich radikale Änderung an seinem Setup vor: Anstelle seines berühmten kleinen 1959er Fender Deluxe mit Whizzer-Aufsatz, der über Magnatone 280 und Baldwin Exterminator zusätzlich hochverstärkt wird, stellte er sich einen billigen Versandhaus-Verstärker der Marke "Silvertone" auf die Bühne.
Videobilder und Fotos der Tour belegen, dass es sich dabei entweder um das Modell "Silvertone 1484 Twin Twelve" oder "Silvertone 1485 Six Speakers" von Mitte der 1960er Jahren handelte - gut zu erkennen an dem für diese Modelle typischen schwarzen Hintergrund der unteren Frontplatte des Verstärkerkopfteils. Das verwendete Lautsprecherkabinet wurde den Fotos nach mit zwei Mikrophonen abgenommen, was eher für die 2 x 12" Box des Modells 1484 spricht. Dennoch kommt auch das optisch gleiche 120-Watt Schwestermodell 1485 mit seiner 6 x 10" Box in Betracht. [
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60 Watt und 2 Lautsprecher für 150 $
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Silvertone Amp im Sears-Katalog 1963 |
Der Silvertone 1484 war der "kleine Bruder" des Spitzenmodell 1485. Das größere Modell hatte 120 Watt, zehn Röhren und eine Lautsprecherbox mit sechs 10-Zoll Jensen-Speakern. Der 1484 kam dagegen nur mit 60 Watt aus acht Röhren und einer 2x12-Box - war aber ansonsten technisch und optisch identisch mit dem Spitzenmodell.
Die beiden Eingänge der Amps konnten gebrückt werden, um mehr Verzerrung abzurufen. An Effekten hatten beide Varianten Vibrato und Reverb an Bord. Die Lautsprecherbox beider Modell übrigens war so konstruiert, dass das Verstärkeroberteil zum leichteren Transport hinten in eine Aussparung gestellt werden konnte. Die beiden Modelle 1484 und 1485 tauchten erstmals 1963 im Katalog von "Sears" auf und wurden bis 1966 (120-Watt-Modell) und 1967 (60-Watt-Modell) verkauft. Die 60-Watt-Variante kostete unter 150 Dollar. Das Top-Modell mit 120 Watt stand mit 239 Dollar im Sears-Katalog.
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Young, Silvertone, Federhall, 1988 |
Neil Young hat der eingebaute "pulsierende Reverb" seines "Silvertone" offensichtlich nicht recht gefallen. Wie schon bei seinem klassischen Setup mit dem Fender Deluxe im Mittelpunkt schaltete er auch beim Einsatz seines "Silvertones" einen separaten Fender Federhall vor den Verstärker. Auf Videobildern der Tour sieht man die "1963 Fender Reverb Unit" links vor dem "Silvertone" auf dem Boden stehen.
Ob das Signal nach dem "Silvertone" auch noch weitere Verstärker durchläuft - beim Fender-Setup sind das in der Regel ein Magnatone 280 und ein Baldwin Exterminator - geht aus den verfügbaren Bildquellen nicht genau hervor.
Die Technik kam von Danelectro
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Silvertone 1485 im Sears-Katalog |
Die Marke "Silvertone" war Neil Young sicher nicht unbekannt. Unter diesem Markennamen verkaufte der Kaufhauskonzern und Versandhändler "Sears" preiswerte Instrumente und Verstärker an Einsteiger und Jugendbands. "Sears, Roebuck & Co", so der vollständge Name, war so etwas wie die nordamerikanische Variante der deutschen Versandhändler "Quelle" oder "Neckermann". In Neil Youngs Heimatland Kanada war "Sears" unter dem Namen "Simpsons-Sears" mit Kaufhäusern und als Versandhändler vertreten. "Sears" fertigte seine Instrumente und Verstärker aber nicht selbst, sondern ließ für sich bei Drittherstellern produzieren oder pappte seine "Silvertone"-Schilder auf fertige Produkte anderer Anbieter.
Neil Youngs "Silvertone" wurde von der Firma "Danelectro" für den Versandhändler konstruiert und gebaut. "Danelectro", berühmt für die Masonite-SPanplatten-Gitarren, vertrieb seine Instrumente auch unter dem "Silvertone"-Label. Andere "Silvertone"-Gitarren stammten von weiteren Billigherstellern wie "Kay" oder "Harmony".
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Jack White, Beck mit Silvertone Amps |
Auch Neil Youngs allererste Gitarre in Winnipeg war so eine preiswerte "Harmony"-Archtop. Bei seinen jungen Musikerkollegen in seiner Jugendzeit in Winnipeg war Equipment der preiswerten Marke "Sivertone" ebenfalls weit verbreitet. Die Band seines damals besten Kumpels, Randy Bachmann, benannte sich Anfangs sogar nach diesen Gitarren: "The Silvertones". Später wurden sie dann als "The Guess Who" berühmt.
Den "Silvertone"-Verstärker setzte Neil Young übrigens nur bei der Tour mit den "Bluenotes" in den Jahren 1987 und 1988 ein. Danach tauchte das ungewöhnliche Setup nicht mehr auf der Bühne auf.
Der gute Sound des "Silvertone, neben einer harmonischen Verzerrung wurde auch der Clean-Sound gerühmt, brachte später auch JackWhite und Beck dazu, sich so einen Versandhaus-Amp auf die Bühne zu stellen oder im Studio zu spielen. White und Beck sind ja bekennende Neil Young-Fans. Ob sie die Vorteile des "Silvertone".Amps allerdings bei ihm entdeckten, ist nicht bekannt.
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Fotos: Sears Roebuck Typenschild und Frontlogo, Frontpanel (v. l. n. r.) |
Fotos der Verstärker mit freundlicher Genehmigung von Randy, der auf seiner Webseite
silvertoneworld.net alles Wissenswerte rund um Silvertone präsentiert.
Video: Neil Youngs "Silvertone" Verstärker 1484 oder 1485:
Silvertone-Amp als 3D-Modell
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Great article, Ralf! I'm looking forward to the new album next week. Thanks!
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