September 06, 2014

Poncho Sampedro: Wir waren nicht länger 'Crazy Horse'

Frank "Poncho" Sampedro
"Crazy Horse"-Gitarrist Frank "Poncho" Sampedro hat dem Magazin Rolling Stone ein ausführliches Interview gegeben. Autor Andy Greene entlockte ihm dabei einige interessante Hintergrundinformationen zur gerade beendeten Europa-Tour. Erstmals wird auch der Unfall im letzten Jahr detailliert geschildert, der zum Abbruch der Alchemy Tour 2013 führte. Sampedro äußerte sich auch zur Zukunft von "Crazy Horse".

Über "Ponchos" Unfall in Schweden:
Auf dem Weg von der oberen in die untere Etage des Doppeldeckerbusses hielt sich der Gitarrist am Pfosten einer Innentür fest, weil der Bus gerade durch ein Schlagloch fuhr. Gleichzeitig versuchte der Roadmanager die Tür zu schließen und quetschte Ponchos Finger. Ein Arzt stellte drei Brüche am Mittelfinger und zwei Brüche am Ringfinger der linken Hand fest. Poncho wollte die Show in Göteborg dennoch spielen, musste aber dann feststellen, dass die Schmerzen zu stark waren.

Er schlug Neil Young vor, Nils Lofgren als Ersatz einfliegen zu lassen. Laut dem Rolling Stone soll Lofgren auch selber angeboten haben, einzuspringen. Sampedro hätte dann die Harmonien gesungen, während Lofgren dessen Gitarrenparts übernahm. Neil Young lehnte den Vorschlag wegen der fehlenden Zeit für Proben aber ab. Erst drei Monate nach dem Unfall konnte Sampedro wieder langsam mit dem Spielen beginnen. Nach der vollständigen Heilung der Brüche sei dann die Europatour 2014 gebucht worden.

Über das neue Konzept für die Europatour:
Sampedro sei sehr überrascht gewesen, als Neil Young bei den dreitägigen Proben im Fox Theatre in Oakland mitteilte, sie würden diesmal ganz andere Songs spielen als 2013. Viele der ausgewählten Songs wie etwa "Only Love Can Break Your Heart" oder "Separate Ways" seien auch nicht wirklich "Crazy Horse"-Songs. Mit "Who's Gonna Stand Up And Save The Earth" und der elektrischen Version von "After The Gold Rush" waren auch zwei neue bei den Proben dabei gewesen. [Weiter mit "Ponchos" Interview ...]

Poncho Sampedro 2014
Über Billy Talbots Schlaganfall:
Laut "Poncho" habe Bassist Billy Talbot während der Rückfahrt von den Proben in Oakland zu seinem Haus in Süd Dakota den leichten Schlaganfall erlitten. Bei einem Zwischenstopp in der Nähe von Salt Lake City konnte er plötzlich Füße und Arme nicht mehr richtig bewegen. Eine vollständige Genesung sei aber sehr wahrscheinlich. Talbot absolviere eine Reha und spiele schon wieder beidhändig Gitarre und Klavier. Zum Gehen benutze er noch einen Stock, den er aber bald beiseite legen wird. Einziges Problem sei noch die durch Medikamente verursachte Müdigkeit. Billy Talbot habe ihn auch schon zu Aufnahmen in sein Haus eingeladen. "Ponchos" Sampedros Antwort: "Bist du verrückt? Ich war gerade noch on the road."

Über die Umstellung für die Europatour:
Nach dem Ausfall von Billy Talbot habe "Poncho" Sampedro Neil Young vorgeschlagen, Rick Rosas als Ersatz am Bass zu nehmen. Er selber würde dann zusätzlich die Gesangparts von Talbot übernehmen. Beim Einüben der jetzt umfangreicheren Gesangsparts war "Poncho" nach eigenen Aussagen aber schon nach kurzer Zeit heiser und brachte keinen Ton mehr heraus.

Neil Young habe dann entschieden, Backgroundsänger zu suchen, die er auch gleich am nächsten Morgen schon gefunden hatte - Dorene Carter and YaDonna West. Weil keine Zeit für Proben war, übte die neu formierte Band das Set innerhalb von nur drei Tagen auf Island ein. Sampedro: "Ich flippte aus, soviel musste ich einstudieren." Er habe die ganze Zeit im Hotel alle von Neil Young vorgesehen Songs rauf und runter geübt, bis alles saß. Trotzdem sei die Toureröffnung in Island anders gewesen, als alle "Crazy Horse"-Shows zuvor - ohne einen einzigen Song der beiden bekanntesten Alben "Everybody Knows ..." und "Rust Never Sleeps".

Nach zehn Tagen habe er Neil Young dann per E-Mail vorgeschlagen, "Mr. Soul", "Hey Hey, My My" oder "Sedan Delivery" in die Setlist zu aufzunehmen. Neil Young habe ihm darauf - auch per E-Mail - geantwortet: "Wir sind nicht diese Band. Wenn wir es versuchen und so tun, als seien wir diese Band, haben wir verloren." Sampedro sieht das im Rückblick genauso: "Wir waren nicht länger 'Crazy Horse'. Das hier war eine andere Band."

Über Änderungen der Setlist während der Tour:
Nach Ausbruch der Krise im Nahen Osten musste die Show in Israel abgesagt werden. In der Folge habe Young mit "Living With War", "Name of Love" und "Be the Rain" mehr politische Songs ins Programm genommen. Bei anderen Songs wie "Rockin' in the Free World" habe er mit Textänderungen auf die Situation reagiert. Dadurch sei die Liste der neu zu lernenden Songs von anfangs 14 auf am Ende 27 angeschwollen. Einige davon seien aber nie in die abendliche Setlist gekommen. Laut Sampedro waren das unter anderem "Stupid Girl", "Trans Am", "Throw Your Hatred Down", "World on a String", "Restless Consumer" und "Danger Bird". Als sie die Tourbusse einmal an einem Fluss parkten, habe "Poncho" gehofft, nicht "Down By The River" spielen zu müssen, das er nicht sicher beherrschte. Ausgerechnet da eröffnete Neil Young die Show [Anmerkung: in Dresden] mit einer 26-Minuten-Version genau dieses Songs.

Bis zuletzt, so Sampedro, habe er sich für "Mr. Soul" starkgemacht. Er sei aber froh, dass Neil am Ende wenigstens "Name Of Love" ins Programm genommen habe. Den Song habe die Band auf der Tour von 1987 regelmäßig vergeigt. Neil Young habe ihn dann ein Jahr später mit CSNY in einer besseren Fassung aufgenommen. Jetzt hatte "Crazy Horse" also die Gelegenheit zur Gesichtswahrung bekommen.

Über die Zukunft von "Crazy Horse":
Genau Pläne gebe es nicht, so Sampedro gegenüber dem Rolling Stone. Bei FarmAid wären sie natürlich nicht dabei, das sei zu teuer. Neil Young habe ihm aber gesagt, dass er die Band liebe und so lange wie möglich mit ihnen spielen wolle. Freilich ohne einen Zeitrahmen zu nennen. Sampedro sarkastisch: "Ich bin sicher, er liebt es auch, mit CSNY zu spielen."

Auf der Rückreise von Europa habe Sampedro Neil Young vorgeschlagen, im Frühjahr ein neues "Crazy Horse"-Album aufzunehmen und dann auf eine Abschiedstournee zu gehen. Manger Elliot Roberts fand die Idee großartig, Neil Young habe dagegen nur sein Pokergesicht gezeigt. Der sei aber ohnehin gerade mit Pono, den akustischen Solo-Shows und seinem kommenden Roman beschäftigt.

Eine richtige Abschiedstour sei für ihn vor allem eine Sache des Herzens, so Sampedro weiter. Jeder weiß dann, es ist das letzte Mal und man könne sich von allen verabschieden, die über die Jahre für sie da waren. Das wäre ein Ende wie in einem Frank Capra-Film.


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