LaVettes Memoiren |
Bettye LaVette, amerikanische Soul-Sängerin aus Detroit, ist ein Paradebeispiel für jene Musiker, denen trotz Talent und Können der große Durchbruch lange verwehrt bleibt. Nachdem sie 1962 als 16-jährige mit der Single "My Man He’s A Lovin’ Man" einen Hit landete, ließ man sie touren und Single um Single aufnehmen - ein ganzes Album aber nicht. In ihren Memoiren beschreibt die Sängerin, wie 1972 ausgerechnet ein Cover von Neil Youngs "Heart of Gold" die scheinbare Wende versprach:
"Der örtliche Repräsentant des Labels, Ahmet Erteguns Laufbursche Ollie McLaughlin, hatte mich nie aufgegeben. Ollie nahm mich mit ins Studio, um Neil Youngs "Heart of Gold" aufzunehmen. Rudy Robinson schrieb ein Arrangement, das mich zu Tode ängstigte, so gut war es.
"Bettye", sagte Ollie mit seinem leichten englischen Akzent, "das hier ist es. Das hier bringt Dich an die Spitze." "Schön das zu hören, Ollie, aber mit all diesen Singles verschleiße ich mich. Ich brauche ein Album." Schließlich war es die Ära, als die Radios ganze Alben spielten. Aretha Franklin hatte fast ein Dutzend Alben bei Columbia und - in nur vier Jahren - acht bei Atlantic. Ich hatte keins. Die musikbegeisterte Öffentlichkeit verschlang Alben. Marvin Gayes "What's Going On" wurde als das beste Album aller Zeiten bezeichnet. Einige meiner besten Freunde im Business, die O'Jays, brachten mit Gamble and Huff Alben in Philly raus. Wo waren MEINE Alben? Wie war es möglich, bei all den Singles, die ich aufnahm und all den Versprechungen, dass ich keine einzige 33er-LP mit meinem Foto auf dem Cover hatte? [Weiter mit Bettye LaVettes Memoiren ...]
"Es wird kommen", sagte Ollie. "Ich werde dieses "Heart of Gold" Ahmet vorspielen. Wenn er es hört, lässt er Dich ein Album machen." "Das habe ich schon einmal gehört." "Ahmet liebt das Zeug, das Du früher mit mir gemacht hast. Ich verspreche Dir, dass er das hier noch viel mehr lieben wird." "Falls ja, wird es meine dritte Runde mit Atlantic. Ich fühle mich schon wie auf einem Atlantic-Karussell." "Aber dieses Mal greifst Du die Gelegenheit beim Schopf." "Ich will nach Gold greifen", sagte ich. "'Heart of Gold' ist die Eintrittskarte, Baby. Wart's ab."
Lange musste ich nicht warten. "Sitzt Du, Bettye?", fragte Ollie am Telefon. Ich fragte: "Ist die Nachricht so schlecht?" "Sie ist so gut! Ahmet hat Heart of Gold" gehört. Er fllippte verdammt nochmal aus. Er sendet Dich zu Muscle Shoals."
2000er Release des 1972er Albums |
Soweit Bettye LaVette in ihren Memoiren "A Woman Like Me", die 2012 zur gleichen Zeit und im gleichen Verlag wie Neil Youngs Memoiren "Waging Heavy Peace" erschien. Das von Ahmet Ertegun zugesagte Album wurde tatsächlich im November 1972 im "Muscle Shoals Sound Studio" in Alabama aufgenommen. Es hatte den Titel "Child of the Seventies", Produzent war Brad Shapiro.
Aber Label-Boss Ahmet Ertegun hielt sein Wort nicht. Atlantic/Atco sollte Bettye LaVettes erstes Album nie veröffentlichen. "Heart of Gold" erschien wieder nur als Single. Auch danach nahm die Sängerin weiterhin nur Singles auf - für Atco, Epic, später für Motown. Erst 1982, ganze zehn Jahre später - und sogar satte 20 Jahre nach ihrer ersten Single von 1962 - kam endlich ein Album von Bettye LaVette heraus: "Tell Me a Lie", veröffentlicht bei Motown. Weitere Alben folgten in den Jahren danach.
Im Jahr 2000 erschien dann auch jenes 1972 aufgenommene Album "Child of the Seventies" doch noch. Der französische Sammler Gilles Petard kaufte die Lizenzen von Atlantic und brachte das Album unter dem Namen "Souveniers" auf seinem Label "Art and Soul" heraus. Es enthält auch die 1972 aufgenommene Coverversion "Heart of Gold", die Bettye Lavette damals doch kein Glück brachte.
Kursiv gesetztes Textzitat übersetzt aus "A Woman Like Me" von Bettye Lavette, David Ritz,
272 Seiten in Englisch, erschienen am 27.09.2012, Verlag "Blue Rider Press"
Video: Bettye LaVette "Heart of Gold", 1972
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