Auf "Rusted Moon" gab es schon viele Stories über besondere oder seltsame Coverversionen von Neil Youngs Liedern. Diesmal geht es aber um die wohl außergewöhnlichste Version, die bislang auf diesem Blog vorgestellt wurde: Neil Youngs Hit "Heart Of Gold" in burmesischer Sprache aus Anfang der 1970er Jahre. Interpret ist der burmesische Sänger "Min Min Latte".
Diese geheimnisvolle Cover-Perle stammt aus einem Land, das bereits für sich ein Mysterium ist: Myanmar. Der kleine Staat in Südostasien, eingezwängt zwischen den Riesen China, Indien, Bangladesch und Thailand, ist ein weithin unbekanntes Land. Zur Verwirrung trägt auch der Umstand bei, dass neben Myanmar im Englischen "Burma" und im Deutschen "Birma" als Landesnamen gebräuchlich sind. Die offizielle Bezeichnung lautet "Republik der Union Myanmar".
Die weitgehende Abschottung von Myanmar geht auf die Militärherrschaft zurück, unter der das Land seit 1962 stand. Die Armee hatte damals mit einem Putsch eine kurze Phase der Demokratie nach dem Ende der bis 1948 dauernden britischen Kolonialherrschaft beendet. Im 2. Weltkrieg war Myanmar von den Japanern besetzt. Die Streitkräfte von Myamar regierten das Land mit harter Hand und hatten sogar die Hauptstadt von Rangun nach Naypyidaw in den unzugänglichen Dschungel im Landesinneren verlegt. Vor einigen Jahren wurde allerdings ein zaghafter Öffnungsprozess mit demokratischen Reformen eingeleitet, der bei den Parlamentswahlen 2015 zu einem Sieg der demokratischen Opposition führte. 2016 wählte das Parlament die Friedensnobelpreisträgerin und lange Jahre eingesperrte Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi zur Präsidentin. Bei den Wahlen im November 2020 erreichte sie die absolute Mehrheit. Daraufhin putschten sich die Streitkräfte erneut an die Macht und nahmen die Präsidentin gefangen. [Weiter mit 'Mono vs. 'Stereo' ...]
Kampf "Mono" gegen "Stereo"
Karte von Myanmar/Birma/Burma |
Min Min Latts burmesische/birmesische Version von "Heart Of Gold" stammt aus einer Zeit, in der in Myanmar - damals noch Birma/Burma - westliche Rock- und Popmusik populär und noch erlaubt war. In "The Irrawaddy", einem in Thailand erscheinenden Nachrichtenmagazin für Myanmar/Birma/Burma, beschrieben die Journalisten Min Zin und Shawn L. Nance die damalige Entwicklung der sogenannten "Stereo Musik". Dieser Name geht darauf zurück, dass die einheimischen Pop-Künstler aus Gründen der Zensur meist nicht im staatlichen Radio gespielt wurden.
Die sozialistische Militärdiktatur versuchte "dekadente" westliche Einflüsse zu unterbinden und setzte eher auf traditionelle Volksmusik - gesendet in Mono. Zudem hatte das Regime sämtliche Einfuhrlizenzen für westliche Musik verboten. Produzenten westlich geprägter Pop-Musik setzen daher auf Coverversionen internationaler Hits, die sie mit einheimischen Künstlern produzierten. Da sie ohnehin nicht im staatlichen Mono-Radio gesendet wurden, nahmen sie die Platten gleich in Stereo auf und verkauften sie in Musikgeschäften und Teestuben. Die "Stereo-Sänger" erlebten trotz der staatliche Restriktionen einen regelrechten Boom, der zu Freiluft-"Stereo-Konzerten" führte. Die Popmusik wurde sogar fester Bestandteil der religiösen Feste.
Pionier der burmesischen Popmusik
Rock Of Gold in Myanmar |
Die Militärrdiktatur setzte zwar weiter auf Zensur und Repressalien, betätigte sich aber auch als musikalischer Trittbrettfahrer: Sie gaben Popmusik mit Propagandatexten in Auftrag, um zum Beispiel für staatliche angeordnete Abstimmungen zu werben. So kam es zu Liedern mit absurden Titeln wie "Lasst uns in die Wahlkabine gehen".
Die Popmusik in Myanmar/Birma/Burma entwickelte sich Mitte der 1970er Jahre dennoch weiter. Sogar Eigenkompositionen und elektronische Musik wurden produziert. "The Irrawaddy" beklagt aber, dass es in Myanmar/Birma/Burma nicht gelungen sei, eine eigenständige Popmusik hervorzubringen, wie zum Beispiel in Thailand oder Malaysia.
Min Min Latt, der Interpret der Coverversion von "Heart Of Gold" gehörte in den 1970er Jahren zu den Größen der Popmusik in Myanmar/Birma/Burma. "The Irrawaddy" zitiert Zeitzeugen, die ihn als "extrem fortschrittlich" und als "versierten Pionier der burmesischen Popmusik" bezeichnen, der die Fans des Landes für einen neuen Musikgeschmack sensibilisierte.
In westlichen Ohren - und mit 50 Jahren Abstand - mag das beim Anhören von Min Min Latts burmesischer Version von "Heart Of Gold" vielleicht seltsam und als etwas Rätselhaftes erscheinen. Einen faszinierenden Reiz des Mysteriösen übt diese seltene Cover-Perle aus der dunklen Zeit eines mysteriösen Landes aber auf jeden Fall aus.
Hinweis: Dieser Artikel erschien bereits am 30. August 2013 auf Rusted Moon. Aus Anlass des neuerlichen Militärputsches in Myanmar und der gewaltsamen Unterdrückung der demokratischen Kräfte des Landes um die gewählte Präsidentin Aung San Suu Kyi durch die Streitkräfte erscheint er in aktualisierter Fassung erneut.
Links:
Shawn L. Nance: ‘The Hard and Soft of It’, The Irrawaddy, (2002)Nicht mehr verfügbar- Min Zin: ‘Burmese Pop Music: Identity in Transition’, The Irrawaddy, (2002)
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