Zwei Wochen vor dem Open-Air-Start der "Alchemy Tour 2013 Europa" mit "Crazy Horse" in der Berliner Waldbühne am 2. Juni erinnert "Rusted Moon" daher an diesen Startpunkt einer langen Kette von Freiluftkonzerten des kanadischen Musikers, die ihn von dem trostlosen Supermarktparkplatz in Winnipeg, über die Felder von Woodstock, das Londoner Wembley-Stadion, den New Yorker Central Park, das Red Rock Amphitheater und das Kolosseum in Rom in alle bedeutenden Freiluftbühnen der Welt führten. [Weiter ...]
Schneller Erfolg der "Squires"
Neil Young gründete seine erste richtige Band "The Squires" in den Weihnachtsferien 1962. Zuvor hatte er in Bands wie "The Jades", "The Esquires" und den "Stardusters" erste musikalische Erfahrungen gesammelt. Bei den "Squires" gab Neil Young dann selber den Ton an. Weiter Band-Mitglieder waren Ken Koblun am Bass, Alan Bates an der Rhythmus-Gitarre und Jack Harper am Schlagzeug, der aber schon bald durch Ken Smyth ersetzt wurde. Gelegentlich stieß anfangs auch noch Jim Atkin mit seinen Bongos hinzu.
Single "The Sultan", 1963 |
Bereits am 23. Juli 1963 - nur wenige Monate nach ihrer Gründung - nahmen "The Squires" ihre erste Single "The Sultan/Aurora" im Studio eines lokalen Radiosenders auf, die dann auf dem obskuren Plattenlabel "V Records" neben ukrainischer Folklore erschien. Förderer von Neil Youngs Band und Produzent der ersten Single war damals der Radio-DJ Brad Bradburn von Winnipegs Sender CKRC. Bradburn verschaffte den "Squires" auch einige Auftritte im Rahmen der von seinem Sender organisierten Tanzveranstaltungen für Jugendliche. Diese "Teen-Dances" waren meist von lokalen Firmen wie zum Beispiel dem Jeans-Hersteller "Tee*Jay" gesponsert.
Werbung für Schulbedarf und Rasierklingen
Zeitungsannonce (Klick zum Vergößern) |
Die Manager von "TOPPS" nutzten das Wochenende also geschickt für eine "Verkaufsmesse" auf dem Parkplatz vor dem Supermarkt. Neben allerlei Rummel und Vergnügungen wie Karussell und Clowns sprach man mit dem abendlichen "Teen-Dance" und dem Auftritt von Neil Youngs "Squires" gezielt das jugendliche Publikum an, um zum neuen Schuljahr Schulbedarfsartikel zu verkaufen.
Eine Zeitungsannonce versprach dann auch passend: "TOPPS unterbietet jeden bei Schulbedarf". Dazu wurde für Schultaschen zu 99 Cent geworben. Auch Schallplatten in "Stereo oder Hi Fidelity" unter anderem von Nat "King" Cole und Johnny Cash zum Preis von 1,23 Dollar dürften das jugendliche Publikum erfreut haben. Ob die ebenfalls beworbenen Kinderschuhe, Rasierklingen und Plastik-Saftkaraffen Anklang fanden, darf eher bezweifelt werden.
Radioübertragung und Cola für Alle
Überhaupt lohnt es sich, die Werbeanzeige, die am 31. August in der Lokalzeitung "Winnipeg Free Press" auf Seite 7 erschien, einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.
Ausschnitt: "The Squires" werden vor Ort sein |
Wichtiger als die "Squires" schien den Supermarktmanagern ohnehin der fett gedruckte Hinweis auf "kostenlose Schallplatten", "Gewinne" und vor allem "kostenlose Cola für Alle" gewesen zu sein. Die Zeiten, wo allein der Name Neil Young die Massen anzog, sollten erst noch kommen. Bei den Gewinnen und kostenlosen Schallplatten handelte es sich immerhin um LPs von Elvis Presley - eines der musikalischen Vorbilder Neil Youngs. Die verschenkte LP "It happend at the World's Fair" gehört aber nicht gerade zu dessen Meilensteinen.
"It's so noisy at the fair" - Vorbild für Sugar Mountain?
Ausschnitt: Wie in "Sugar Mountain" |
Lange im Gedächtnis ist den "Squires" der Auftritt auf der "Open Air Dance Party" jedenfalls geblieben. Aus gutem Grund: In John Einarsons Buch "Don't Be Denied" erinnern sich die Bandmitglieder nämlich an einen bitterkalten Abend. Bassist Ken Koblun soll wegen der Kälte sogar mit dicken Handschuhen gespielt haben. Immerhin brachte der Gig laut Kobluns Liste 40 Dollar Gage ein.
Der letzte Einsatz von Neil Youngs "Les Paul Junior"
Neil Young spielte sein allererstes Open-Air-Konzert übrigens noch auf seiner alten 1956er Les Paul Junior, die er 1961 von seiner Mutter Rassy geschenkt bekam. Es war zugleich sein letzter öffentlicher Auftritt mit dieser Gitarre. Bereits beim darauffolgenden Konzert am 20. September präsentierte Neil Young seine orangefarbene Gretsch 6120 Chet Atkins.
Für die Gretsch-Gitarre, die auch Kumpel und Vorbild Randy Bachman spielte, verkaufte Neil Young damals seine Golfausrüstung, den Rest "stotterte" er mit Ratenzahlung ab. Die Les Paul Junior erlitt zuvor im Probenraum - irgendwann zwischen dem Auftritt auf dem Parkplatz und dem Konzert am 20. September - einen irreparablen Schaden. Die Gretsch 6120 sollte Neil Young dann während der restlichen Zeit der "Squires" bis Ende 1965 spielen. Der baugleiche Nachfolger ist seit den "Buffalo Springfield"-Anfängen im Jahr 1966 bis heute bei Neil Young in Gebrauch.
Der Auftritt auf der TOPPS "Open Air Dance Party" ist also nicht nur Neil Youngs erstes Open-Air-Konzert. Es markiert auch in Bezug auf das Instrument einen bedeutenden Einschnitt in der Karriere Neil Youngs: Nach dem Gig mit der Les Paul Junior auf dem Parkplatz spielte der Musiker nur noch Gitarren mit Bigsby-Vibrato als Hauptinstrumente. Vor dem Supermarkt in Winnipeg ging also definitiv Neil Youngs "Prä-Bigsby-Ära" zu Ende.
Les Paul Jr. |
Die goldene Ära der Discount-Märkte
Dank nach Eröffnung |
Der TOPPS-Discount-Markt war der erste seiner Art in Winnipeg - und auch die erste kanadische Filiale der US-amerikanischen Kette TOPPS überhaupt. TOPPS wiederum zählte zur kalifornischen Kette der "White Front"-Discount-Märkte. Beide Discount-Marken gehörten zum "Interstate"-Konzern, der damals auch Kaufhäuser und die Spielzeugkette "Toys 'R' Us" betrieb.
Die Discount-Märkte sprossen Ende der 1950er und Anfang der 1960er Jahre wie Pilze aus dem Boden. Ketten wie "Kmart", "Zayre" und andere Anbieter bauten riesige Hallen, in denen zu Discount-Preisen und bei niedrigen Gewinnmargen große Warenmengen umgeschlagen wurden.
Das Warensortiment umfasste von sogenannter "weißer Ware" (Kühlschränke, Waschmaschinen), über Elektronik, Geschirr, Bekleidung bis hin zu Konsumartikeln des täglichen Bedarfs. Der große Erfolg dieses frühen "Geiz-ist-geil"-Konzeptes zwang sogar alteingesessene Supermarkt- und Warenhausketten, Billig-Ableger zu gründen. "Woolworth" setzte zum Beispiel auf "Woolco", "Montgomery Ward" eröffnete die Kette "Jefferson Ward".
Beispiel für TOPPS-Discount-Store |
Der Markt für Billiganbieter war durch den Boom aber schon Mitte der 1960er Jahre gesättigt. Viele Ketten gingen entweder in Konkurs oder verkauften ihre Läden an Konkurrenten. Vor allem der heutige Branchen-Primus "Walmart" kaufte damals zahlreiche Wettbewerber und deren Standorte auf.
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