Klar, im Rahmen des zeitlich Möglichen natürlich. Nun kannte ich Neil Young ja schon länger und besaß auch etliche seiner Alben, die habe ich wieder öfter gehört und mir noch das eine oder andere zugelegt, zum Beispiel von "Buffalo Springfield". Außerdem habe ich mir auf YouTube Livemitschnitte und Interviews angesehen. Es ist schon so ein Eingrooven auf einen Menschen, seine Persönlichkeit und seine Themen; das mag ich sehr an meinem Beruf. Ich sehe mir zum Beispiel gern Interview-Videos an und beobachte, wie jemand redet, mit welcher Mimik, welcher Stimme und wie er sich dabei gibt. Das hilft, eine passende deutsche Stimme zu finden.
Hätten Sie Neil Young auch übersetzt, wenn Sie die Musik nicht gemocht hätten? Sagt man das überhaupt einem Verlag?
Wenn mir jemand überhaupt nicht liegt, ich ihn gar richtig unangenehm finde, möchte ich ihn auch nicht übersetzen. Es gibt nichts Schlimmeres, als wochen- oder monatelang einem absoluten Unsympathen auf Deutsch nachsprechen zu müssen. Nichts anderes ist ja Übersetzen im Grunde. Aber wenn ich einen Autor bzw. eine Erzählerstimme grundsätzlich okay finde, nur eben die Musik oder irgendetwas anderes nicht mein Geschmack ist, bin ich auch bereit, ihn zu übersetzen. Grundsätzlich ist es aber immer ein Glücksfall, wenn man jemanden übersetzen darf, der einem liegt und den man mag, sei es wegen seiner Musik oder wegen anderer Themen.
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Deutsche Ausgabe |
Waren Sie überrascht von der Bandbreite seines Werks? In Deutschland kennen viele ja nur "Heart Of Gold".
Nein, ich wusste ja auch vorher, dass der Spruch „Kennste einen, kennste alle“ auf Neil Young und seine Songs absolut nicht zutrifft, was auch zur Folge hat, dass ich mit Teilen seiner Musik mehr anfangen kann und mit anderen weniger. Ich mag ihn solo zum Beispiel lieber als mit Crazy Horse. Aber natürlich habe ich durch das Übersetzen auch noch das eine oder andere Neue entdeckt.
Hört man beim Übersetzen eigentlich Musik?
Normalerweise brauche ich beim Arbeiten Ruhe, aber thematisch Verwandtes höre ich zwischendurch ab und zu sehr gern. Ich habe mal ein Buch übersetzt, das in Brasilien spielte, da hab ich zwischendurch brasilianische Folklore gehört, während der Arbeit an Nick Caves „Bunny Munro“ natürlich alles Mögliche von Nick Cave und so weiter. Beim Übersetzen der Autobiografie war einer meiner musikalischen Lieblings-Snacks für zwischendurch Neil Youngs 2009er Liveaufnahme von „A Day in a Life“ im Hyde Park zusammen mit Paul McCartney.
Sehen Sie in der literarischen Sprache Neil Youngs eine Analogie zu seiner musikalischen Seite - etwa in Bezug auf Groove, Rhythmus, Melodie?
Es gibt eine wichtige Parallele zwischen seiner Musik und seinem Schreiben, und zwar seine Vorliebe für das Ursprüngliche, Unverfälschte. Er schreibt, was ihm in den Sinn kommt, frei von der Leber weg. Er sagt ja im Buch, in seinen Sessions werde grundsätzlich immer alles mitgeschnitten, damit nichts Unwiederbringliches verlorengeht, und z.B. die Albumversion von „
Like a Hurricane“ ist ja tatsächlich der Mitschnitt des allerersten Probelaufs. Besser wurde die Stimmung des Songs später nie mehr eingefangen, fand Neil Young, und genau darauf kommt es ihm an, dafür nimmt er auch den einen oder anderen Schönheitsfehler in Kauf. So scheint es mit dem Schreiben auch zu sein.
Neil Youngs Vater war Journalist und Schriftsteller, auf dem Titelfoto hat er dessen alten Reporterhut auf dem Kopf. Hat das abgefärbt? Wie würden Sie generell Neil Youngs Schreibstil charakterisieren - auch im Vergleich zu den Memoiren anderer Musiker?
Neil Young erzählt ja immer wieder davon, wie sein Vater mit seiner alten Underwood-Schreibmaschine oben in der Dachkammer saß und ihm den Rat gab: „Schreib einfach jeden Tag, und du wirst staunen, was dabei herauskommt.“ Den hat er wörtlich genommen und tatsächlich immer und überall geschrieben, wenn ihm etwas in den Sinn kam, und mit der gerade erschienenen Biografie hält man das mehr oder weniger ungefilterte Resultat in den Händen. Weitestgehend oder vielleicht sogar komplett verzichtet hat er auf das Überarbeiten des Textes – Strukturieren, Verdichten, Verfeinern, kurz: aus zu Papier gebrachtem Gesprochenem tatsächlich etwas vom Wesen her Geschriebenes zu machen. Das mag man gut oder schlecht finden; die Feuilletons etwa der ZEIT und der WELT werfen es ihm vor, während viele Fans wahrscheinlich gerade das schätzen werden.
Neil Young hat nach eigenen, Aussagen das Werk komplett selber geschrieben. Macht das die Arbeit des Übersetzens schwieriger als wenn ein professioneller Ghostwriter die Sprache vorher bereits "glättet"?
So ein Text stellt natürlich besondere Anforderungen an die Übersetzung – man will und darf nicht zu sehr glätten, um den ursprünglichen Ton nicht zu verfälschen, muss sich aber gleichzeitig immer fragen, wie viel Rohheit dem Text noch gut tut.
Welche Story in dem Buch hat Ihnen persönlich besonders gut gefallen? Womit konnten Sie weniger anfangen?
Ich mochte die Passagen, in denen er von seinem Sohn Ben erzählt, zumal ich selbst einen kleinen Sohn mit einer Behinderung habe. Das hat etwas sehr Persönliches, und ich finde ganz allgemein, dass er in diesem Buch oft erstaunlich offen über sich und sein (Innen-)Leben spricht. Man erfährt viel über den Menschen Neil Young. Andere Details wiederum haben mich ehrlich gesagt weniger interessiert, zum Beispiel was es bei einer Abendeinladung zu essen gab. Aber eben: Er schreibt, was ihm in den Sinn kommt.
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Roman von Nick Cave |
Haben Sie eigentlich ein Modellbahn- oder ein Auto-Lexikon zur Hand nehmen müssen?
Ja, was Neil Young zu diesen Themen zu sagen hatte, war teilweise schon recht detailliert und anspruchsvoll. Zum Glück hilft das Internet in solchen Fällen schnell weiter und macht es leicht, Experten zu konsultieren, zumal die Zeit für die Übersetzung in diesem Fall recht knapp bemessen war.
Nachdem die harte Arbeit an dem Buch nun fertig ist - hören Sie jetzt mehr oder weniger Musik von Neil Young?
In etwa genauso viel wie vorher. Neil Young ist neben einigen anderen so eine Art Fixstern in meinem musikalischen Universum.
Gibt es aktuell ein neues Übersetzungsprojekt?
Okay, der Kommentar kommt jetzt etwas spät, aber man hätte Frau Jacobs schon fragen können/müssen, wer für den bescheuerten deutschen Titel verantwortlich ist.
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