1948er Buick Roadmaster |
"Mort" lebt - und zwar in England! Jedenfalls wird dort gerade ein Zwilling von Neil Youngs altem Leichenwagen aufwendig restauriert. "Mort 3" soll Ende nächsten Jahres fertig und im Jahr darauf auch zu mieten sein - ziemlich genau 50 Jahre, nachdem Neil Young seinen Wagen in Winnipeg kaufte.
Es handelt sich technisch um fast den gleichen 1948er Buick Roadmaster Hearse, den Neil Young 1964 bis 1965 als Bandwagen mit "The Squires" nutzte. Einzige Unterschiede: Der Zwilling besitzt ein automatisches Getriebe und war weiß überlackiert. Neil Youngs Buick dagegen war bekanntlich schwarz und hatte ein manuelles 3-Gang-Getriebe.
Der Defekt eben jenes Getriebes sorgte dann für das unrühmliche Ende von "Mort" im kleinen Ort Blind River in Ontario. Dort ließ der kanadische Musiker nicht nur den fahruntüchtigen Wagen, sondern gleich sein bisheriges Musikerleben zurück, um in Toronto ganz neu anzufangen. Der Getriebeschaden von "Mort" war einer der wichtigsten Wendepunkte in der Karriere von Neil Young. Der hat dem Ereignis später im Song "Long May You Run" ein musikalisches Denkmal gesetzt.
Der "Mort"-Zwilling gehört Keith Knights, der im englischen Norfolk die auf Wasserpflanzen spezialisierte Gärtnerei "Acre Meadow" betreibt. Den 1948er Buick Roadmaster Hearse hat der Gärtner im November 2010 aus den USA importiert. Innerhalb von drei Jahren soll der Wagen komplett restauriert sein. Danach will Knight den Leichenwagen als Hochzeitsauto (!) vermieten - typisch britischer Humor.
"Man muss schon die britische Mentalität haben, um das zu verstehen", erzählt Keith Knights auf Anfrage von Rusted-Moon. Und auch längst nicht jeder Brite würde so Hochzeitswagen wirklich mögen. Knight: "Aber eine spezielle Minderheit wird den Wagen lieben". Ein Paar musste er schon enttäuschen, weil der Leichenwagen nicht rechtzeitig zu ihrer Hochzeit fertig wird.
Knights denkt, dass der Buick bei Beerdigungen auch gut hinter einem zweiten Leichenwagen aussehen würde. Er plant auch schon, einen weiteren Wagen zu kaufen: "Dann aber keinen Buick aus der gleichen Epoche." Rusties auf der Insel steht also ab dem nächsten Jahr für Hochzeiten und Todesfälle ein absolut stilechtes Gefährt zur Verfügung. Wer möchte da nicht unter die Haube oder unter die Erde ...
Keith Knights vor seinem Roadmaster |
Knights denkt, dass der Buick bei Beerdigungen auch gut hinter einem zweiten Leichenwagen aussehen würde. Er plant auch schon, einen weiteren Wagen zu kaufen: "Dann aber keinen Buick aus der gleichen Epoche." Rusties auf der Insel steht also ab dem nächsten Jahr für Hochzeiten und Todesfälle ein absolut stilechtes Gefährt zur Verfügung. Wer möchte da nicht unter die Haube oder unter die Erde ...
Gebaut am 7. November
2011: Ankunft in England |
Zurück zu "Mort 3": Der dritte Besitzer ließ den Wagen dann über Jahrzehnte in Kansas vergammeln, ehe er 2011 über einen Händler in Oklahoma den Weg nach England fand. Dort wurden inzwischen erste Restaurierungsarbeiten an dem über 6,30 Meter langen Ungetüm erledigt. Die Arbeiten dokumentiert Keith Knights übrigens auf seiner Internetseite in Text und Fotos (Link unten).
Mai 2012: Entkernter Hearse |
Im Winter soll der Wagen dann erste Fahrversuche auf dem Hof machen. Die Lackierungsarbeiten, erzählte Keith Knights gegenüber Rusted-Moon, sind für den Sommer 2013 geplant, die Polsterarbeiten an den verschlissenen Sitzen und dem Samt der Innenverkleidung für den folgenden Herbst. Dann gilt: "Long May He Run ..."
Die Geschichte des Buick Roadmaster
Firmenlogo |
Nach dem Krieg baute die Firma Überlandbusse sowie wieder ihre Spezialfahrzeuge für den Kranken- und Leichentransport. Dafür wurden die Chassis und Teile von Serienfahrzeugen der Hersteller Buick, Studebaker, Cadillac verwendet. Bei Flxible schnitt man die Chassis dieser Autos auseinander, verstärkte und verlängerte sie. Kühlergrill, Kotflügel sowie Motor und Getriebe stammten überwiegend vom Originalfahrzeug.
Ragged Glory: Die Sitzbank vorne |
Diesen Buick-Umbau brachte Flxible dann in zahlreichen Varianten auf den Markt: Der Wagen war in den zwei unterschiedlichen Buick-Modellreihen "Super" und "Roadmaster" verfügbar. Beide Modellreihen waren dann noch entweder als reiner Krankenwagen oder als reiner Leichenwagen erhältlich. Der Krankenwagen hatte an der Front und auf dem Dach Blaulichter und Sirene angebaut. Der Leichenwagen war als Hecklader sowie als Ausführung mit Hecktür und zusätzlichen Seitentüren lieferbar.
Eine weitere beliebte Variante was das sogenannte "Combination Car" - ein Art "eierlegende Wollmilchsau". Diese Version war nämlich sowohl als Krankenwagen, als auch als Leichenwagen gleichzeitig nutzbar. Ein paar Handgriffe genügten zur Umrüstung. Solche "Combination Cars" waren vor allem in kleineren amerikanischen Gemeinden beliebt, wo sich zwei einzelne Spezialfahrzeuge nicht rentierten.
Die unterschiedlichen Modellvarianten hatten spezielle Typenbezeichnungen, aus denen sich der Verwendungszweck ablesen lässt. Fans der Autos und Busse von Flxible bilden ein rührige Internetgemeinde, besitzen alte Listen der Firma, tauschen Ersatzteile und Erfahrungen aus. Laut der Typenliste für die Jahre bis 1953 steht das Kürzel FB21 zum Beispiel für "Hecklader-Leichenwagen". FB22 bedeutet "Krankenwagen". "Combination Cars" hatten das Kürzel FB23. Es gab auch noch reine Servicewagen mit dem Kürzel FB24. Daran wurde dann eine dreistellige Ziffernkombination angehängt, bei der 5 für die Super-Variante stand. Die Roadmaster-Version hatte die Ziffer 7. Daran wiederum wurde dann das Baujahr angehängt. Nach dieser Logik hatte zum Beispiel ein Leichenwagen der Baureihe Roadmaster aus dem Produktionsjahr 1948 die Typenbezeichnung FB21-748.
Typenschild eines 1948er Modells |
Leider ist die genaue Typenbezeichnung von Neil Youngs altem Wagen nicht bekannt. Auch das einzige Foto, das den Hearse zeigt, gibt wenig Anhaltspunkte. Immerhin ist darauf erkannbar, dass es ein Wagen mit Heckklappe und zwei Seitentüren war - also kein reiner Hecklader-Leichenwagen. Das Foto wurde im April 1965 in Winnipeg aufgenommen, kurz bevor Neil Young, Bassist Ken Koblun und Drummer Bob Clark mit dem Leichenwagen zu ihrer letzten Reise nach Fort William aufbrachen. Fotografin war Bob Clarks Mutter Liz Clark.
Auf der Hinreise nach Fort William im April 1965 gab es dann erste
Getriebeprobleme, die dann wenige Wochen später zum Lebensende des Autos
führen sollten.
UPDATED: In seiner Autobiographie "Waging Heavy Peace", die im September 2012 erschien, beschreibt Neil Young einige Details seines Leichenwagens. Danach hat er den Wagen aufgrund eines Zeitungsinserates eines örtlichen Bestattungsunternehmens gefunden. Er hatte sogar sie Auswahl zwischen zwei identischen Wagen, die sich nur in der Farbe der Samtbezüge unterschieden: blau und burgundrot. Neil Young kaufte den mit blauem Samt ausgeschlagenen Roadmaster für 125 kanadische Dollars. Die Rechnung zahlte seine Mutter Rassy. Das war im Herbst 1964.
Mit Buick-Schaltgetriebe zum Weltruhm
Bedienungsanleitung |
Neil Youngs 1948er Buick war einer der letzten, die mit dem manuellen 3-Gang-Getriebe ausgestattet waren. Buick hatte im Baujahr 1948 nämlich sein erstes Automatikgetriebe auf den Markt gebracht. Das nannte sich Dynaflow und war für Buick-Kunden beim Roadmaster Baujahr 1948 erstmals als Extra-Ausstattung erhältlich.
Bei Fahrzeugen, die von Flxible hergestellt wurden, war es dagegen genau andersrum: Hier war schon im Modelljahr 1948 die Automatik Serienausstattung. Das manuelle Schaltgetriebe musste man statt dessen als Extra bestellen.
Bei Fahrzeugen, die von Flxible hergestellt wurden, war es dagegen genau andersrum: Hier war schon im Modelljahr 1948 die Automatik Serienausstattung. Das manuelle Schaltgetriebe musste man statt dessen als Extra bestellen.
Das Dynaflow-Getriebe von Buick war eine 2-Gang-Automatik, die ursprünglich für den M18-Panzer der US-Armee entwickelt worden war. Die meisten der knapp 650 im Jahr 1948 gebauten Buick Roadmaster wurden dann auch gleich mit dem komfortablen Automatikgetriebe bestellt. Im nächsten Produktionsjahr 1949 gab es nur noch die Automatik ab Werk. Die Produktion des manuellen Getriebes stellte Buick ein.
Das dürfte vermutlich auch einer der Gründe dafür sein, dass Neil Young und Terry Erickson im Juni 1965 tagelang erfolglos in Blind River auf ein Ersatzteil oder ein Ersatzgetriebe warten mussten. Das manuelle Schaltgetriebe war schließlich seit 17 Jahren nicht mehr auf dem Markt. Und vom Automatikgetriebe gab es inzwischen die 3. Generation. In dem kleinen Nest in Ontario das passende Ersatzteil aufzutreiben, wäre also ein Wunder gewesen.
Buick-Werbung für Dynaflow |
Die mit der Dynaflow-Automatik ausgerüsteten Roadmaster hatten daher 10 PS mehr unter Haube, als die Wagen mit manueller Schaltung. Trotzdem waren sie so träge, dass die Automatik bald den Namen "Dynaslush" erhielt. Eine verbesserte zweite Generation kam dann 1953 auf den Markt, eine dritte folgte im Jahr 1958.
Wer weiß, wie sich Neil Youngs Karriere entwickelt hätte, wäre damals nicht das alte manuelle Getriebe in seinem Roadmaster eingebaut gewesen. Eine Getriebeautomatik hätte der sparsame Jungmusiker nämlich nicht auf Gefällestrecken auskuppeln können, um Benzin zu sparen. Mit einem funktionierenden Automatikgetriebe hätte es Neil Young und Kumpel Terry Erickson 1965 wohl auch nach Sudbury schaffen können, wo Erickson damals einen Gig verabredet hatte. Vermutlich wäre Neil Young heute noch in der kanadischen Provinz ansässig - ob als Musiker oder als Hühnerzüchter.
Man kann Buick also sehr dankbar dafür sein, dass sie im Produktionsjahr 1948 noch ein paar alte Schaltgetriebe in die Roadmaster-Serie einbauten ...
Video eines 1948 Buick Roadmaster hearse:
- Webseite von Keith Knight über sein Buick Roadmaster Restaurierungs-Projekt
- Englischsprachige Webseite über die Firma Flxible und die Kooperation mit Buick
- Deutschsprachige Webseite über die Firma Flxible
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