Der Folk-Standard „Clementine“ gehört neben "Oh Susannah" und „High Flyin’ Bird“ zu den biographisch interessantesten Songs des neuen „Americana“-Albums von Neil Young & Crazy Horse. „Rusted Moon“ hatte bereits in „High Flyin’ Bird – Neil Young hebt ab“ ausführlich die Verbindung zu Neil Youngs Band „The Squires“ und zu Stephen Stills beschrieben.
Diesmal steht mit „Clementine“ ein Song im Mittelpunkt, der wahrscheinlich zu den allerersten Liedern gehört, die der Musiker Neil Young überhaupt je auf einem Instrument gespielt hat.
Hier nun Alles rund um diesen traditionellen Folksong, der nicht nur am Anfang von Youngs Musikerlaufbahn, sondern auch im Zusammenhang mit einem der dunkelsten Kapitel seiner Karriere stand.
Alte Spielanleitung für eine Plastikukulele |
Gleichzeitig begann der kleine Neil, die Welt der Musik über Top-40-Radiosender und die elterliche Plattensammlung zu erkunden. Neil Youngs Vater Scott kaufte in einem örtlichen Laden eine „Arthur Godfrey“-Plastikukulele, die seinen Sohn im Schaufenster faszinierte. Ursprünglich als Weihnachtsgeschenk gedacht, bekam Neil Young das Drei-Dollar-Instrument sogar schon ein paar Monate früher.
Das genaue Fabrikat der Ukulele ist nicht näher bekannt. Zwei konkurrierende Hersteller hatten seinerzeit Plastikukulelen mit dem Namen des bekannten TV-Moderators „Arthur Godfrey“ beworben. „Rusted Moon“ hat in „Das Rätsel um Neil Youngs erste Plastikukulele“ den Kreis der Instrumente auf die „Meccaferri Islander“ und die „Emenee Flamingo“ eingegrenzt. Beide Instrumente wurden mit einem Heftchen ausgeliefert, das neben einer Spielanleitung auch verschiedene Lieder mit Akkorden und Texten enthielt.
"Coming Round The Mountain" (Click to enlarge) |
Beide Songs haben die frühe Ukulelen-Phase überlebt und waren noch Jahre später im Werk Neil Youngs präsent. Als „Neil Young and The Squires“ 1965 im „4-D Coffeehouse“ in Fort William mit wilden Rock-Versionen klassischer Folksongs auftraten, standen auch wieder „Clementine“ und „Comin' Round The Mountain“ in der Setlist.
"Fort William war der Beginn jener Art des Folk-Rocks, den wir spielten", erinnert sich Neil Young in John Einarsons Buch über die Band "Buffalo Springfield", in der Neil Young später den Folk-Rock perfektionieren sollte. "Es war anders als alles, was ich vorher oder nachher getan habe. Es war eine Art Folk-, Punk-, Rock-Ding in Moll. Es war funky", so Neil Young weiter.
Jimmy McDonough zitiert Neil Young in "Shakey" so: "Das war ein besonderes Squires-Programm, das nie aufgenommen wurde. Ich wünschte, es gäbe Bänder von diesen Shows. Wir nahmen berühmte alte Folksongs wie "Clementine", She'll Be Comin' 'Round the Mountain", "Tom Dooley" und wir spielten sie alle in Moll."
Wie bei „High Flyin’ Bird“, dessen Arrangement auf Stephen Stills Band „The Company“ oder deren Vorgänger „Au Go-Go Singers“ zurückgeht, stand aber möglicherweise auch für „Clementine“ ein anderes Arrangement Pate.
Clementine für Ukulele (Click to enlarge) |
Erstes Album von "Jan & Dean" |
Anzeige des "4-D" von 1964 |
Die von „Jan & Dean“ aufgenommene rockige Version von "Clementine" mag Neil Young durch den Charterfolg der Single bekannt gewesen sein - und sie dürfte ihm gefallen haben. Den alten Folk-Klassiker hatten die beiden Kalifornier nämlich in einen neuartigen Mix aus Folk, Rock’n Roll, Surfmusik und Shadows-Sound gekleidet. Im Gegensatz zur etwas traditionelleren Albumversion war ihre Single zusätzlich durch den Einsatz eines Echo-Geräts, dem stilprägenden Effektgerät jener Ära, aufgepeppt worden (siehe Video unten).
„Jan & Dean", die mit vollem Namen Jan Berry und Dean Torrence hießen, waren so etwas wie die "Kronprinzen" der "Beach Boys". Die Karrieren der beiden Surf-Bands verliefen zeitlich parallel. Zudem waren die Musiker untereinander gut befreundet. Mit "Surf-City" hatten "Jan & Dean" im Sommer 1963 sogar einen Nummer-1-Hit, den Jan Berry und "Beach Boy" Brian Wilson gemeinsam geschrieben hatten. Jan Berrys Karriere wurde 1966 durch einen schweren Autounfall unterbrochen. Er starb im Jahr 2004.
Neil Young ist bis heute ein Fan der "Beach Boys" und der Surf-Musik und besang seine damalige Bewunderung in "Long May You Run". Der Song handelt von Leichenwagen Mort, dem Bandwagen von "Neil Young and The Squires" aus jener Zeit, als sie die rockigen Folkversionen von "Clementine" und anderen Standards spielten. Das erste Album von „Jan & Dean" mit dem Song "Clementine" wurde übrigens von Herb Alpert und Lou Adler produziert. Adler betrieb später in Los Angeles das "Roxy", in dem Neil Young während seiner dunklen "Ditch-Phase" berühmt-berüchtigte Konzerte gab.
Genau in dieser Zeit arbeite ein Bruder von Jan Berry als Roadie für Crosby, Stills, Nash & Young - für die Band als auch jeweils für die einzelnen Musiker. Der Bruder hieß Bruce Berry. Er kam durch "Crazy Horse"-Gitarrist Danny Whitten zum Heroin und starb nur wenige Monate nach Whitten, am 4. Juni 1973, an einer Überdosis.
Neil Young, der über den zweiten Todesfall in seinem direkten Umfeld tief bestürzt war, widmete Bruce Berry daraufhin den Titelsongs seines düsteren Albums "Tonight's The Night":
39 Jahre später, am 5. Juni 2012, erscheint nun eine von Bruce Berrys Bruder Jan Berry möglicherweise inspirierte Version von "Clementine" auf einem Album von Neil Young & Crazy Horse - der ehemaligen Band von Danny Whitten und zeitweiligem Arbeitgeber von Bruce Berry. Ein Kreis schließt sich.
Fast erscheint es so, als ob neben der Wiederbelebung der Folkmusik aus Neil Youngs musikalischer Anfangszeit, noch eine ganz andere Ebene bei "Clementine" mitschwingt: Der im Song besungene "miner forty-niner" - ein Goldsucher aus dem großen kalifornischen Goldrausch von 1849 - ist womöglich eine Art alter ego von Neil Young. Der hatte bekanntlich mit "After The Gold Rush" schon früher eine Verbindung mit jener Zeit der amerikanischen Geschichte hergestellt.
Und könnte der nun Neil Young und den drei überlebenden Mitgliedern von "Crazy Horse" besungene Tod von "Clementine" nicht auch eine Metapher für den Tod von Danny Whitten oder Bruce Berry sein?
Neil Youngs Karriere als Musiker jedenfalls, ging nach dem tragischen Verlust der beiden Weggefährten ebenso weiter, wie die Arbeit des Goldsuchers "miner forty-niner" nach dem Verlust seiner Tochter im Song "Clementine":
"How I missed her! / How I missed her, / How I missed my Clementine, / So I kissed her little sister, / And forgot my Clementine."
"Jan & Dean" - Clementine, Single-Version 1960
Neil Young - Tonight's The Night, 1992
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Neil Young - Tonight's The Night |
Das Album "Tonight's The Night", Teil der sogenannten Ditch-Trilogie, hatte Neil Young im August 1973 in den "Studio Instrument Rentals (SIR)" in Hollywood aufgenommen. Der Laden für Studio- und Bandequipment wurde von Ken Berry, dem dritten der Berry-Brüder, betrieben. Auch Bruce Berry hatte für SIR gearbeitet."Bruce Berry was a workin' man; / He used to load that Econoline Van / A sparkle was in his eyes, / but his life was in his hand. / Late at night when the people were gone / he used to pick up my guitar / and sing a song in a shaky voice / that was real as the day was long"
Bruce Berry (c) Jimmy McDonough |
"How I missed her! / How I missed her, / How I missed my Clementine, / So I kissed her little sister, / And forgot my Clementine."
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In Erinnerung an Danny Whitten und Bruce Berry
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"Jan & Dean" - Clementine, Single-Version 1960
Neil Young - Tonight's The Night, 1992
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