Eine aus deutscher Sicht besonders interessante Ausgabe von „Harvest“ ist 1989 in der DDR auf dem "Amiga“-Label erschienen. 17 Jahre, nachdem Neil Young sein Album herausbrachte – und unmittelbar bevor die DDR aufhörte zu existieren – kam „Harvest“ hinter dem „Eisernen Vorhang“ in die Läden. Das ist auch deshalb erstaunlich, weil der Kanadier nie einen Fuß auf sozialistischen Boden gesetzt hat. Anders, als zum Beispiel Bob Dylan oder Bruce Springsteen, die sogar in der DDR auftraten. Näher, als auf einer westlichen Aussichtsplattform an der Berliner Mauer im Jahre 1982, ist Neil Young dem Osten also nie gekommen. Übrigens auch nach dem Fall der Mauer nicht.
„Amiga“ war das für populäre Musik zuständige Label des staatlichen Tonträgerproduzenten "VEB Deutsche Schallplatten Berlin". Was man damals auf Vinyl presste, wurde aber im Wesentlichen vom Ministerium für Kultur bestimmt. Neben einem ausgewogenen Mix der Musikgenres wurde dabei auch auf den kulturpolitischen Überbau geachtet. Beat- und Rockmusik war in der Staatsführung nämlich verpönt, galt sogar als "Werk des Klassenfeindes", der die Jugend des Arbeiter und Bauernstaates verdummen und "zu Exzessen aufputschen" sollte. In einer legendären Rede vor dem ZK 1965 geißelte der spätere Staats- und Parteichef Erich Honecker den schädlichen Einfluss "dieser Musik" (Video unten). Als „Harvest“ im Jahre 1972 erschien war übrigens Klaus Gysi, Vater von Gregor Gysi, im ZK Minister für Kultur und zuständig für das "Amiga"-Label.
Devisenknappheit
Erst in den 80er Jahren, als auch in der DDR die von MTV- und Westfernsehen geprägte Jugend nach mehr Auswahl im Plattenregal verlangte, wurden verstärkt westliche Lizenzen eingekauft. Dabei achtete man aber weiter darauf, dass die Künstler möglichst ihre musikalische Qualität mit „bürgerlich-humanistischer bzw. sozialistischer Haltung“ vereinten. Sozialkritische Texte und Positionen hatten es dabei einfacher, als schlichtere Rock- und Popalben.
Zensierte Billigcover
Amiga-Credits (Click to enlarge) |
Die Neugestaltung der Cover war aus Kostengründen meistens aber ohnehin fällig. Um Papier und Druckfarbe zu sparen, wurden statt Klappcover stets einfache Cover verwendet. Die Innenhüllen waren prinzipiell unbedruckt, Textbeilagen fehlten. Singles kamen sogar meist ganz ohne individuelle Cover auf den Markt. Die Pressung des Vinyls selber war dagegen ohne Fehl- und Tadel. Das einzige Presswerk der DDR stand in Potsdam-Babelsberg und gehörte vor dem Krieg der "Tempo Schallplatten GmbH Otto Stahmann". Den Coverdruck erledigte das VEB-Druckkombinat in Gotha.
Amiga-Kassette von "Harvest" |
Video: "Niemand in unserem Staate hat etwas gegen eine gepflegte Beatmusik" - Erich Honecker, späterer Staats- und Parteichef der DDR, auf dem 11. Plenum des ZK der SED, Dezember 1965:
Ähnliche Artikel:
Dass Neil Young nie im Osten Deutschlands war, stimmt so nicht. 2008 hat er in Leipzig gespielt.
AntwortenLöschenEr war sogar mehrmals in Leipzig und auch in Erfurt! Aber da war der deutsche Osten eben schon nicht mehr "DER" Osten. Gemeint ist hier, dass Neil Young VOR 1989 nicht in der DDR und NACH 1989 nicht östlicher als EX-DDR aufgetreten ist (bis auf 1 mal Prag mit Pearl Jam)
AntwortenLöschenGenaue Statistiken und Diskussion dazu hier: http://www.rusted-moon.com/2011/10/neil-young-und-die-mauer-in-den-kopfen.html