August 28, 2011

Vor 35 Jahren: Neil Young sprengt die 'Spirit'-Reunion

Nur wenige Jahre in der langen Karriere von Neil Young waren so voller Irrungen und Wirrungen wie das Jahr 1976. Einem fast unschuldigen Beginn – Neil Young überrasche Joni Mitchell am 18. Januar mit einem Gastauftritt bei deren Konzert in Lafayette – folgte eine Drogen dominierte Tournee durch Japan und Europa mit „Crazy Horse“, in deren Verlauf Neil Young auch erstmals in Deutschland auftrat.

Kaum zurück in den USA, stieß er den Jungs von“ Crazy Horse“ gehörig vor den Kopf, indem er die folgende USA-Tour nicht mit ihnen, sondern mit Stephen Stills absolvierte. Mit dem hatte er schon zu Begin des Jahres 1976 in Miami heimlich Aufnahmen für ein gemeinsames Album der Stills-Young-Band gemacht. Das Album „Long May You Run“ sollte im September 1976 erscheinen. Bei diesen Aufnahmen hatte er auch schon seine alten Kumpels David Crosby und Graham Nash düpiert, weil er deren Gesangsspuren auf den Bändern löschte und heimlich aus Miami abreiste. Die unglückselige Tour der Stills/Young-Band im Sommer 1976 endete bekanntlich mit einem großen Zerwürfnis zwischen Stephen Stills und Neil Young, der die Band mit dem berühmten Zitat „Eat a peach“ mitten in der Tournee verließ.

ReunionAlbum von "Spirit"
Im Herbst 1976 ging Neil Young dann doch noch mit „Crazy Horse“ auf eine US-Tour, die durch kleinere Hallen oder Kneipen führte und als eine der rohesten Auftritte dieser Formation gilt. Das turbulente Jahr 1976 endete schließlich mit einem merkwürdigen Auftritt beim Abschiedskonzert von „The Band“. Regisseur Martin Scorsese, der die Show als "The Last Waltz" verfilmte, musste später auf den Filmnegativen eine Kokainspur retuschieren, die Neil Young aus der Nase hing.

Und als sei das alles noch nicht genug, versemmelte Neil Young mitten in diesem schicksalhaften Jahr 1976 auch noch der kalifornischen ProgRock-Band „Spirit“ ein Reunion-Konzert: Am 28. August 1976 sorgte ein überraschender Gastauftritt des Kanadiers für ein Handgemenge mitten auf der Bühne des "Civic Auditorium" in Santa Monica und für einen heftigen Streit zwischen den Mitgliedern von „Spirit“, der dann zum endgültigen Bruch der Originalformation führen sollte. Der Vorfall ging unter dem Begriff "The Neil Young Incident" in die umfangreiche Bandgeschichte von "Spirit" ein. Und das kam so:

John Locke
“Spirit” hatte sich 1967 in Los Angeles gegründet. Die Band gruppierte sich um Gitarrist Randy California, der ein Jahr zuvor schon mit Jimi Hendrix zusammen gespielt hatte. Mark Andes zupfte den Bass und Jay Ferguson spielte Percussion. Äußerst ungewöhnlich war der Schlagzeugpart besetzt: Dafür hatte Randy California seinen Stiefvater Ed Cassidy in die Band geholt. Cassidy war zuvor Jazz-Drummer und fiel durch seine Glatze und den Umstand auf, dass er fast 25 Jahre älter war, als die anderen Bandmitglieder.

An den Keyboards saß John Locke, ein Kumpel von Neil Young und dessen Produzent David Briggs, was später einiges zu dem Zwischenfall auf der Bühne beitragen sollte. Bei Keyboarder John Locke hatte 1970 übrigens ein gewisser Nils Lofgren Nachhilfeunterricht an den Tasten bekommen, als dieser von Neil Young ohne jegliche Klavierkenntnisse für den Pianopart auf dessen Album „After the Gold Rush“ verpflichtet wurde.

Randy California
Das erste Album namens “Spirit” erschien 1968. Das erfolgreichere zweite Album „The Family That Plays Together“ folgte schon am Ende des gleichen Jahres. Auf ihrer ersten Tournee 1969 spielte eine noch weitgehend unbekannte Vorgruppe namens „Led Zeppelin“, deren Frontmann Jimmy Page das Riff für den Superhit „Stairway to Heaven“ vermutlich aus dem „Spirit“-Titel „Taurus“ geklaut hat. Überhaupt gilt „Spirit“ als maßgeblicher Einfluss für „Led Zeppelin“. 1970 veröffentlichte "Spirit" dann das wegweisende Album "Twelve Dreams of Dr. Sardonicus", das Kritikern als Meilenstein des "Art Rock" gilt. Produzent des Albums war David Briggs - auf Empfehlung von Neil Young.

Nachdem sich die Band nach einigen personellen Wechseln und dem Ausscheiden von Randy California -  bedingt durch einen Reitunfall - aufgelöste hatte, fand sie sich 1974 zu einer ersten Reunion zusammen. Man ging als Vorgruppe von „Ten Years After“ auf Tournee und spielte 1975 eine Doppel-LP ein, die unter dem Titel „Spirit of ’76“ veröffentlicht wurde. Der Erfolg des Albums führte zum Nachfolgealbum “Son of Spirit“, das Anfang 1976 erschien. Mitte 1976 wurde dann das Album „Farther Along“ nachgezogen.

Von David Briggs
produziertes Meisterwerk
Der Name dieses Album sollte der Gruppe aber kein Glück bringen: Die Tournee, mit der "Farther Along" 1976 promotet werden sollte, führte die Band nicht gerade weiter am Erfolg entlang. Für die Tournee hatte sich die komplette ursprüngliche Besetzung wieder zusammen gefunden - Randy California, sein Stiefvater Ed Cassidy, Mark Andes, Jay Ferguson und John Locke.

Auf einem der Reunion-Konzerte dieser Formation am 28. August 1976 im "Civic Center" in Santa Monica kam es dann zum Eklat. Neil Young, der auf Einladung von Kumpel John Locke - angeblich mit einigen Bekannten aus der Filmszene von Hollywood - im Backstage-Bereich herumlungerte, hatte bereits bei der Vorgruppe „Firefall“ einen irritierenden Gastauftritt hingelegt, bei dem er Dylans „Just Like Tom Thumb's Blues“ spielte.

Bei der Zugabe des Hauptacts „Spirit“ wankte Neil Young dann - sichtbar unter Drogeneinfluss - auf die Bühne und sang bei „Spirits“ Version von Bob Dylans „Like A Rolling Stone“ mit. Angeblich war dieser Gastauftritt zwischen Neil Young und John Locke abgesprochen, aber offenbar nicht mit Randy California. Der versuchte aufgebracht, Neil Young von der Bühne zu schieben und stritt sich mit John Locke herum. Daraufhin stapfte Locke demonstrativ von der Bühne und schrie "I will never play with Randy again!!" Ed Cassidy, so Augenzeugen des Vorfalls, versuchte die Situation zu retten, verließ sein Schlagzeug, nahm Neil Young und Randy California in die Arme und brachte so den Song vor dem reichlich irritierten Publikum über die Runden. Randy California behauptete später, er habe Neil Young wegen dessen neuen Haarschnitts nicht erkannt und für einen betrunkenen Zuschauer gehalten.

DVD vom "Rockpalast"
Der Rest der Reunion-Tour ging dann ohne den verärgerten John Locke weiter. Der stieß zwar ein Jahr später noch einmal kurzfristig zu „Spirit“, verließ die Band 1977 dann aber endgültig und stieg 1980 für zwei Jahre bei den schottischen Hardrockern von „Nazareth“ ein. 1988 nahm er mit „Spirit“ dann noch einmal ein - allerdings kommerziell erfolgloses - Album auf. John Locke starb 2006 im Alter von 62 Jahren an Krebs.

Die Band "Spirit“ blieb nach dem Vorfall noch weiter in unterschiedlichen Besetzungen aktiv, bis Frontmann Randy California im Jahr 1997 im Alter von nur 46 Jahren bei einem Badeunfall auf Hawaii ums Leben kam. Deutschen Rockfans wurde die Band vor allem durch ihren legendären Auftritt in der 2. Rockpalast-Nacht 1978  in der Essener Grugahalle bekannt, die der WDR damals live über EUROVISION übertrug.



Video: "Like A Rolling Stone" -Studiofassung von 1975. Bei der Live-Version ein Jahr später kam es zum Eklat





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