Bislang galt die sogenannte „Ditch-Trilogy“ – die drei unkommerziellen Alben „Time Fades Away“, „Tonight’s The Night“ und „On The Beach“ – als Neil Youngs dunkles Kapitel in seiner Karriere. Dass es aber durchaus noch düsterer geht, beweisen einige deutsche Schlagersänger und -sängerinnen, die sich über die Jahre tapfer der Songs des Kanadiers angenommen haben. Dabei sind Coverversionen entstanden, wie sie so wohl nur der deutsche Musikmarkt hervorbringen kann:
Den Anfang machte 1972 Stefan Waggershausen. Sein „Herz aus Gold“ versuchte vom Erfolg des Originals „Heart of Gold“ zu profitieren, das im Sommer desselben Jahres sieben Wochen in den Top 10 der deutschen Charts stand. Textprobe: „ … Wisst Ihr, dass die Bäume wieder blüh’n / Wenn die Winternebel sich verzieh’n? / Denn die Erde hat ein Herz aus Gold / Streckt die Waffen, wenn es schlagen so-o-ho-o-oll …“ Waggershausen hat mit Victor Lazlo später den Titel „Beim ersten Mal tat’s noch weh“ veröffentlicht. Wie recht er damit hatte!
1974 vergriff sich dann kein geringerer als Ballermann Jürgen Drews an Neil Young. Der spätere „König von Mallorca“ coverte für sein Album „Zeit für meine Songs“ Neil Youngs „I Believe In You“ mit deutschem Text unter dem Titel „Ich vertraue Dir“. Das Album war Jürgen Drews erstes Soloprojekt nach seiner Zeit bei den legendären „Les Humphies Singers“. Sein nächstes Album zwei Jahre später sollte ihn dann in „Ein Bett im Kornfeld“ führen – übrigens eine Coverversion von „Let Your Love Flow“ der Bellamy Brothers und Drews größter Hit. Danach ging es mit ihm steil bergab – bis runter nach Arenal und ins RTL –Dschungelcamp.
Auch die Schlagersängerin Ingrid Peters konnte Neil Young nicht widerstehen. Die Saarländerin hatte 1976 mit „Komm doch mal rüber“ einen Hit gelandet, war danach aber weitgehend in der Versenkung verschwunden. Daraus konnte sie auch ihr Album „Schwarz und Weiss“ von 1984 nicht herausziehen, auf dem sie eine Coverversion von „After the Gold Rush“ zum Besten gab. Der Titel heißt bei ihr schlicht „Morgenrot“ und bietet uns folgenden Refrain: „ … Und ich weiß nicht – wo bin ich – was ist los / Und ich frag auch nicht danach / Ich geh einfach auf die Sonne zu / Ich fühl mich stark und wach / … “ Hört sich an, als wäre sie gerade im Solarium aufgewacht. Aber muss man gleich darüber singen?
Dann doch lieber rheinischer Frohsinn und kölsche Mundart. In dem Dialekt hatte 1975 die Kölner Band „De Bläck Fööss“ eine Coverversion von „Dance, Dance, Dance“ aufgenommen. Die erschien als „Pänz, Pänz, Pänz“ auf dem Album „Lück wie ich un du“ und handelte von spielenden, lärmenden Kindern (auf kölsch „Pänz“). Immerhin waren die Kölner damit schneller als Neil Young selbst, der den Song zwar für sein Album „Harvest“ aufnahm, ihn dann aber doch nicht veröffentlichte. Der Song erschien erst 1977 – umgeschrieben zu „Love is a Rose“ – auf dem Album „Decade“. Kinder kamen da aber auch nicht drin vor.
Mundartlich geht es auch im Werk des Sängers und Liedermachers Wolfgang Ambros zu. Der Niederösterreicher hatte 1971 mit „Da Hofa“ einen Nummer-Eins-Hit in Österreich, der als Basis des Austropops gilt. Das im Wiener Dialekt geschriebene Lied über einen toten Herrn Hofer war sogar in einer englischsprachigen Coverversion als „Mr. Jones from Nr. 3“ in den UK-Charts. „Kann ich auch“, dachte sich da Ambros und coverte von da an selber immer wieder erfolgreich englische Originale. Am bekanntesten ist seine Version von Bob Dylans „Forever Young“, die er als „Für immer jung“ zusammen mit André Heller sang.
Da nun schon mal das Wort ‚Young’ Eingang ins Werkschaffen gefunden hatte, tauche 1999 auf Ambros’ Album „Voom Voom Vanilla Camera“ auch eine kraftvolle elektrische Dialektversion von Neil Youngs „Heart of Gold“ auf. Wie schon 27 Jahre zuvor von Waggershausen korrekt mit „Herz aus Gold“ übersetzt. Da hören die Gemeinsamkeiten aber auch schon auf. Textprobe: „ … I woa in Hollywood / und des woa ned guad / Dort gibt's ka Herz und scho / goa kans aus Gold / ...“ und am Ende: „ … I suach no immer noch an Herz aus Gold / I suach und suach und langsam werd i oid.“ Klingt ein wenig nach verbittertem Skilehrer, ist aber erheblich näher am Original, als Waggershausens Gutmenschen-Friedens-Pathetik.
Am besten zieht sich noch Krautpop-Ikone Nena aus der Affäre. Wer schon einmal selber mit „99 Red Balloons“ auf Nummer Eins der US-Charts stand, muss sich schließlich nicht mit dem mühseligen Eindeutschen von Originalsongs herumschlagen. Man singt schließlich auf Augenhöhe! Ihre Version von „After the Gold Rush“ auf ihrem Album „Cover Me“ von 2007 hat denn auch nichts mit Solarium, blühenden Bäumen oder anderen schrägen Assoziationen am Hut. Der Song kommt mit Neil Youngs Originaltext daher und klingt ganz ordentlich – nach Nena.
Zumindest textlich ganz auf die sichere Seite hatte sich schon 1972 Bandleader James Last und sein Orchester geschlagen. Wie üblich präsentierte er seine Version von „Heart of Gold“ auf dem Album "Non Stop Dancing 72/2" rein instrumental - schließlich hatte Neil Young in den frühen 60er Jahren im kanadischen Winnipeg ja auch mit Instrumentalbands angefangen. James Last, der Meister des luftigen Happy-Sounds, machte dann auch aus der melancholischen Country-Ballade des melancholischen Kanadiers eine auch für die deutsche Mutti tanzbare Nummer für den Partykeller im Bottroper Reihenendhaus.
Kein Wunder, dass Neil Young damals mit seinen drei düsteren Ditch-Alben erstmal die Straßenseite wechselte! Wirkung zeigte dieser Schritt auch bei seinen deutschen Schlager-Epigonen: Von Neil Youngs Songs aus der Zeit nach seiner dunklen Phase sind keine deutschsprachigen Schlagerversionen bekannt. Da kam die Zeit der Punk- und New-Wave-Bands. Aber das ist wieder ein anderes Kapitel.
Hier sind ein paar Videos mit den oben beschrieben Songs von Stefan Waggershausen, Ingrid Peters, James Last und eine Live-Aufnahme von den "Bläck Fööss". Letztere haben sich sogar eigens Verstärkung von BAP geholt. Bewegtbilder mit Jürgen Drews als Neil-Young-Interpret sind der Nachwelt gottlob erspart geblieben.
Ähnliche Artikel:
Als Österreicher fällt mir dazu noch das Cover "Kommt die Zeit" von STS ein:
AntwortenLöschenhttps://www.youtube.com/watch?v=EPYU4Hk3u1E
Die Band Cochise hat Anfang der Achtziger Jahre auch einen Song von Neil Young gecovert. Er ist auf dem Cochise Album „UNter Geiern“ und nennt sich „Morgengraun“. Welcher Neil Young Song steckt dahinter?
AntwortenLöschen