Juli 30, 2014

"Love and War" - Die wunderbare Reise des Tomer Cooper

Tomer Cooper
Zu den wohl schönsten Geschichten der aktuellen World Tour von Neil Young & Crazy Horse gehört die von Tomer Cooper. Der junge israelische Musikfan aus Tel Aviv hatte sich, wie viele Landsleute, auf das Konzert der Band in Israel gefreut. Umso größer war die Enttäuschung, als die Show wegen des aktuellen Konflikts um Gaza aus Sicherheitsgründen abgesagt werden musste. Tomer Cooper beschloss kurzerhand, für ein paar Tage nach Deutschland zu fliegen, um die drei Shows in Mönchengladbach, Dresden und Ulm zu sehen. Dort stand er stets in der ersten Reihe, umgeben von vielen neuen Freunden, die er sich vor und nach den Konzerten machte. 

Zurück in Israel hat Tomer Cooper seine Eindrücke aufgeschrieben. Herausgekommen ist ein beeindruckender Text darüber, wie die Musik, die Liebe zur Musik und die Liebe unter denen, die Musik lieben, die Welt doch ein kleines Stück verändern können. "Rusted Moon" hat nach dem Konzert in Dresden mit Tomer sprechen können. Er hat auch gestattet, seinen Reisebericht - ins Deutsche übersetzt - hier zu veröffentlichen. Danke und Shalom, Tomer!

Mein Rückblick und Reisebericht zu Neil & Crazy Horse in Deutschland, Juli 2014
von Tomer Cooper

"Ok, ich schreibe dies am Flughafen und auf meinem Rückflug nach Israel ... Ich hoffe, es wird gut ausgehen. Ich werde versuchen, meine frische Emotionen und Erfahrungen in Worte zu fassen. Los geht’s: [Weiter ...]


TEIL EINS - "LIVING WITH WAR"

Ich glaube, jede Geschichte braucht einen Anfang … also seit Monaten hatte ich auf die Neil & Crazy Horse Show in Tel Aviv gewartet. Es war das Konzert des Jahres für mich. Neil spielte nur einmal in Israel, während der Mirror-Ball-Tour 1995. Zwei Nächte in Jerusalem. Ich war erst 12 Jahre alt zu der Zeit, so dass ich nicht da war ... Nach fast 20 Jahren warteten viele Menschen, alte und neue Fans gleichermaßen, um Neil in Israel wieder zu sehen. Der 17. Juli 2014 sollte ein legendäres und historisches Datum sein, an das wir uns alle für lange Zeit erinnern werden. Über 40.000 Menschen haben Tickets für die Show gekauft. Ich habe einen Musik-Blog in Hebräisch,  und als ein großer Fan von Neil begann ich ein paar Monate vor der Show, dort ein besonderes Projekt zu schreiben, das der Musik von Neil gewidmet war. Es hatte acht Teile und das letzte war der ultimative Beitrag speziell den Jahren von Neils Karriere mit „Crazy Horse“ gewidmet. Es war der perfekte Artikel für die Fans hier, um sich auf die Show vorbereiten zu können. Ich postete ihn etwa drei Wochen vor dem historischen Datum. Und dann haben all die schlechten Dinge hier angefangen.

Ich und viele meiner Freunde und Neil-Fans machten sich Sorgen. Die Tage vergingen und immer noch konnte ich jeden Tag die Sirenen im Zentrum von Israel hören. Ich sah die großen Explosionen am Himmel (unser System "Iron Dome" fing die Raketen ab). Da wusste ich, die Chancen stehen nicht gut. Dann, ein paar Tage vor dem 17. Juli, bekamen wir die schlechte Nachricht mit der Absage. Es war ein wirklich schlechtes Gefühl, weil Neil und seine Mannschaft wirklich herkommen wollten, aber sie konnten nicht. Und ich kann das verstehen. Man kann nicht 40.000 Menschen in einem offenen Park stecken, wenn es Alarm und Bedrohung in der Stadt gibt.
Ich und viele Leute, die ich kenne, waren so enttäuscht. Ich hatte Neil & The Horse im vergangenen Jahr in London gesehen, aber ich wollte sie in diesem Jahr nicht verpassen. Vor allem, weil ich so lange auf ein Konzert zu Hause gewartet habe, dass für ein, zwei Stunden "Freiheit" und eine Pause des Glücks für all die Menschen bedeutet hätte. Also habe ich beschlossen, es trotzdem zu genießen und startete meine eigene "Operation German Horse" ... Eine spontane Reise zu drei Shows. Ich habe schnell alles Notwendige organisiert. Nach Gesprächen mit einigen befreundeten Rusties wusste ich, wie ich meine Tickets bekomme, welche Last Minute-Flüge ich buche, welche Hotels zu checken waren (und meine Finanzsituation). Ich sagte mir, ich werde sie auf keinen Fall verpassen auf dieser Tour. So hatte sich die Heim-Show in Israel in drei Shows in Deutschland verwandelt.

Tomer Cooper in Mönchengladbach
Tomer Cooper in Mönchengladbach
Bevor ich ging, habe ich Howell in Tel Aviv getroffen. Er war sowieso gekommen, denn er machte eine ganze Urlaubsreise in Israel, bevor er zu der (abgesagten) Show wollte. Wir gingen in die Stadt, ich zeigte ihm einige Orte und wir aßen zusammen und redeten. Eigentlich sollten wir aufgeregt gewesen zu sein für das Konzert hier ... Aber es war toll, ihn trotzdem zu treffen. Ich hatte auch Pläne, für ein schönes Rustfest in Tel Aviv - in meiner Stammkneipe hier, wo die Besitzer mich kennen und wo sie sogar eine Playlist von mir haben, die sie für die Neil-Fans laut spielen können. Das auch das nicht stattgefunden hat, machte mich traurig. Alle Rusties würden Tel Aviv geliebt haben, da bin ich sicher. Aber jetzt bin ich weg, um viel mehr Rusties persönlich zu sehen. Die Aufregung vor der Reise zu den Shows mischte sich mit dem Gefühl, alle meine Freunde hier zu verlassen, die Tickets für die Show hier hatten und nun nicht in der Lage waren, The Horse live zu sehen.

So, die Reise beginnt. Ich landete in Düsseldorf am Freitag, dem 24. Juli. Gerd, die eigentlich nach Tel Aviv (direkt nach Istanbul) kommen wollte, holte mich vom Flughafen ab und wir gingen zum Abendessen und auf ein paar Drinks und sahen etwas von der Stadt. Später fuhr er mich auch zu meinem Hotel in Mönchengladbach. Ich danke ihm sehr. Er hat mir sehr geholfen auf dieser Reise. Dann wachte ich am Samstag auf und es war Zeit für die erste Show! Kurz vor 12 Uhr ging ich zum Konzertareal und Gerd sah mich auf dem Weg von seinem Auto aus, er hielt an und wir fuhren zusammen dort hin. Vier Personen waren schon da (die zwei Youngsters aus Holland sowie Peter und Patrick).

Später sind noch mehr Rusties angekommen und ich habe eine Menge Leute kennengelernt und sah viele Gesichter zum ersten Mal, die ich bislang nur aus Facebook und so kannte. Dann ist Roel angekommen. Er ist einer meiner engsten Freunde durch die Musik. Es ist das fünfte Jahr in Folge, dass wir uns für Konzerte in Europa treffen. Er gab mir auch ein Rust Radio-T-Shirt, denn das ist unser erstes Neil-Konzert zusammen. Ich liebe diesen Kerl.

Nun zum Konzert - ich war an der Rail und Roel und Ruby Inthedust waren hinter mir. Wir redeten viel und dann war es Zeit für Neil und The Horse auf der Bühne. Es war nur ein Jahr her, dass ich sie zum letzten Mal sah, aber ich war so aufgeregt. Die Show war super, ich sah einige Sachen, die ich noch nie gesehen hatte. War glücklich, „Cortez“ und „Barstool Blues“, „Love To Burn“ und einige mehr bekommen zu haben. Aber es gab einen Moment, in dieser Show, den ich nie vergessen werde ... Es war einer der stärksten und emotionalsten Erfahrungen für mich bei Shows. Es war, als Neil begann „Living With War“ zu spielen.

Wir ihr alle wisst, begann er gleich nach der Absage der Tel Aviv-Show damit, es zu spielen. Aus gutem Grund. Ich fliege zu vielen Shows außerhalb Israels, mache diese Sonderfahrten für die Musik immer, wenn ich kann. Es befreit meine Seele, und ich kann alles vergessen, jedes Mal, wenn ich für ein paar Stunden in der Musik bin. Aber dieses Mal war es sehr schwer, mich von all dem zu trennen. Vor allem, wenn bei diesem Neil-Konzept die Setlist dieser Tour sehr viel von Liebe, unseren Planeten zu retten und den Frieden handelt - und gegen den Krieg. Ich hatte ein paar Tränen in den Augen in der Mitte von „Living With War“. Es war noch schwieriger, weil Roel & Ruby mir auf den Rücken klopften, mich unterstützten und die Bedeutung dieses Lieds für mich verstanden, gerade jetzt. Denn ich MUSS mit dem Krieg leben ... Ich nahm jedes Wort in diesem Lied persönlich und ich bin, wie man leicht verstehen kann, sehr eng mit diesem Lied verbunden. Ich dachte an alle meine Freunde und die 40.000 Menschen zu Hause, die Neil nicht sehen konnten, wegen dieses dummen Kriegs jetzt. Nach der Show erzählte ich allen, dass ich das in Deutschland gesehen habe, aber mein Herz war zu Hause bei ihnen.

TEIL ZWEI - "LOVE AND ONLY LOVE"

Also nach der ersten Show hing ich ein wenig mit einigen Leuten rum, musste aber es aber kurz halten, denn ich hatte am nächsten Morgen einen frühen Flug nach Dresden. Ich und Ruby fand heraus, dass wir auf dem gleichen Flug sind. Es war schön die Reise mit Freunden zu machen. Während all der Zeit in Deutschland habe ich so viele neue Freunde getroffen. Und die „Rustie-Familie“ ist wirklich etwas Besonderes. Bei jeder Show kamen haufenweise Leute zu mir, um Hallo zu sagen, schüttelten mir die Hand und umarmten mich und sagten mir, wie glücklich sie sind, dass ich hier sei. Es war "Lotta Love", die ich erhielt. Und das ist es, worum es überhaupt geht. Die Liebe zur Musik bringt Menschen zusammen. Und es ist für mich das Allerwichtigste an der Musik selbst. Love will break it down ... Egal wo man herkommt, wie alt man ist und welche Sprache man spricht. In Wahrheit sprechen wir doch alle die gleichen Sprache: Musik.

Tomer Cooper in Dresden
Tomer Cooper in Dresden
Die internationalen Rusties waren so nett. Von überall: Deutschland, Holland, Großbritannien und Irland, Frankreich, die USA und andere Länder. Und natürlich jetzt auch Israel. So viel Spaß. Ich hatte sehr nette Gespräche mit allen. Über Musik, das Leben und darüber hinaus.

Am Sonntag war es Zeit für die Dresdner Show. Wir alle sagten, ist es ein guter Ort für „Down By The River“ - wegen der schönen, direkt am Fluss gelegenen Bühne und dahinter all die coolen, alten Gebäuden im Rücken. Wir hatten unseren Platz an der Rail genau in der Mitte. Bevor die Show begann, sprach ich mit Mark, Neils langjährigem Tontechniker, um ihm zu sagen, dass ich aus Israel komme. Er war glücklich, mich zu sehen und sagte, dass es wirklich schade um die Tel Aviv-Show sei. Dies sollte nach der Show weitergehen. Aber erstmal begann die Show und in der Tat bekamen wir "River" als Opener. 25 Minuten Wahnsinn. Es war eine fantastische Show. Jeder Song wurde dort wirklich gut von Neil und Poncho umgesetzt. Sie waren wirklich drin. Als es vorbei war, kam Mark und gab mir die Setlist, und um mir zu sagen, dass es ihm leid tut, nicht nach Tel Aviv zu kommen. Was für ein fantastischer Kerl er ist. Nach der Show hatten wir ein Fest in der Kneipe und auf der Straße ging es weiter bis 3 Uhr morgens oder so. Rusties spielten Gitarren sangen, redeten und tauschten Lächeln aus. Wir hatten eine tolle Zeit und ich habe noch viel mehr neue Leute kennengelernt.

Ich wachte ziemlich spät auf am Sonntag für die lange Reise nach Mainz. Mein Kumpel Gerd holte mich von meinem Hotel ab, wir sprangen in sein Auto und die Fahrt begann. Er erzählte mir eine Menge interessanter Sachen auf dem Weg, über die Geschichte der Städte und der Straßen die wir fuhren. Wir hatten einen Stopp am Haus seines langjährigen Freunds in Erfurt. Dann ließ er mich am Bahnhof raus und ich hab mich auf meinen Weg nach Mainz gemacht. Ging dort hinaus, um zu Abend zu essen und kam zurück ins Hotel, um etwas zu schlafen. Ich war ziemlich müde.

Am nächsten Tag war es Zeit für meine letzte Show. Wieder ziemlich früh angekommen, sah ich all die vertrauten Gesichter, darunter auch meinen Kumpel Mark aus England, der dieses Nummern-System macht. Es war cool ihn wieder bei einer Neil & The Horse Show zu treffen, im letzten Jahr in London war ich der Erste an der O2-Halle und Mark war der Zweite. Wir haben „Tonight’s The Night“ beim Soundcheck gehört, und auf eine Überraschung gehofft, aber es kam nicht. Stattdessen bekamen wir eine intensive zwei Sunden zwanzig Minuten Show. Wieder eröffnet mit "River". Das und „Love To Burn“ waren schon 50 Minuten zusammen. Verrückt. Sie haben auch nicht - wie in Dresden – „Cortez“ ausfallen lassen, ich war so glücklich, es wieder zu hören. Eine fantastische Show, um meine kurze Reise zu beenden. Als es vorbei war, rief ich auf der Bühne nach Mark, um ihm schnell zwei Dinge zu erzählen: Zuerst sagte ich vielen, vielen Dank. Und zweitens, dass ich hoffe, dass sie irgendwann bald nach Israel kommen. Er sagte, er weiß, und dass sie versuchen, rüber zu kommen.

Nach der letzten Show ist es immer bittersüß. Weil ich wusste, dass ich am nächsten Tag nach Hause fliege, musste ich mich von allen verabschieden. Ich hatte ein schönes Treffen in einer Kneipe und einige von uns gingen dann zum „Rustie-Hotel“ und spielte dort bis 3.30 Uhr, glaube ich. Es spielten Harry, Lucas und der Anführer Uwe. Als wir es beendeten, ging ich zu meinem Hotel - ein wenig betrunken, ein wenig müde und voller Freude.

TEIL DREI - "GOIN 'HOME"

Tomer Cooper & Rusties in Mainz
Tomer Cooper & Rusties in Mainz
An meinem letzten Tag ging ich für ein paar Stunden in die Stadt Mainz, aß etwas und verabschiedete mich in Richtung Flughafen Frankfurt für meinen Flug am Abend. Am Flughafen begann ich, all das hier zu schreiben ... Ich betrachtete die Fotos, erinnerte mich an alle Momente der Shows und an die guten Zeiten mit all den Menschen. Mein Lieblingsfilm aller Zeiten ist "Almost Famous" und es gibt eine Textzeile dort, der ich mich sehr verbunden fühle (wie vielen anderen in dem Film) - jedes Mal, wenn ich wieder von der Reise nach Haus komme. Sie geht: "Das ist der Zirkus. Jeder versucht, nicht nach Hause zu gehen.“ - Und das ist in der Tat das allgemeine Gefühl. Vor allem für mich, der aus Israel kommt und nicht weiß, wann er das nächste Mal diese ganzen Leute wieder sehen kann.

Aber die Neil-Erfahrung 2014 ist noch nicht vorbei für mich. Im Oktober, meinem Geburtsmonat, werde für einen Monat in die USA fliegen. Ich habe Tickets für die Boston Solo-Shows. Ich hoffe, einige Rusties dort noch einmal zu sehen. Und ich hoffe darauf, dass irgendwo in der nahen Zukunft alle Rusties hier nach Tel Aviv kommen. Für die eine Show, die uns allen in Israel fehlt. Bis dahin werde ich weiterhin für die Musik reisen, soviel ich kann.

Diese fünf Tage in Deutschland werden mich für eine lange Zeit begleiten. In meinem Kopf und in meinem Herzen. Ich möchte ein wirklich großes Dankeschön an ALLE Menschen richten, die ich getroffen habe. An alle, die geholfen haben und einige meiner tollen Erlebnisse geteilt haben. Ich bin jetzt zurück in der Realität, zu Hause, beende diesen Rückblick. In der Hoffnung, euch alle wieder zu sehen. In der Hoffnung, dass die vielen Fans hier auch Neil sehen werden. Und ich hoffe auch ganz allgemein.

Vielen Dank, Rusties, dass ihr ein Teil meiner Reise wart. Die Musik wäre ohne Euch nicht die gleiche.

Frieden, 
Tomer."


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